Pneumologie 2004; 58(12): 867-868
DOI: 10.1055/s-2004-830149
Preisarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genexpressionsanalyse des malignen Pleuramesothelioms

Gene Expression Analysis of Malignant Pleural MesotheliomaR.  Wiewrodt1
  • 1Schwerpunkt Pneumologie, III. Medizinische Klinik, Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz
Die Arbeit ist an der University of Pennsylvania, Philadelphia PA und an der Universität Mainz entstanden. Der Autor bedankt sich sehr herzlich bei allen Koautoren, namentlich Sunil Singhal, Liliana Malden, Kunjlata Amin, Kimberly Matzie, Joseph Friedberg, John Kucharczuk, Leslie Litzky, Steven Johnson, Larry Kaiser und Steven Albelda. Die Preisarbeit ist mit dem Titel „Gene Expression Profiling of Malignant Mesothelioma” veröffentlicht in der Fachzeitschrift Clinical Cancer Research (Clin Can Res 9 : 3080 - 97, 2003).
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Publication Date:
14 December 2004 (online)

Die enge Assoziation zwischen Asbestexposition und gehäuftem Auftreten von Pleuramesotheliomen ist seit den 60er-Jahren bekannt. Die karzinogene Potenz hängt vom Asbestfasertyp und der Art der Exposition ab. Obwohl die Herstellung und Nutzung von Asbest in Deutschland seit Jahren verboten sind, ist in Westeuropa wegen einer Latenzzeit von 20 - 50 Jahren nach Exposition immer noch mit einem Anstieg dieser schwer diagnostizierbaren und therapierefraktären Erkrankung zu rechnen. In Westeuropa werden in den Jahren 2010 - 2020 bis zu 9000 Betroffene jährlich erwartet. Das klinische Erscheinungsbild ist im Frühstadium unspezifisch. In der feingeweblichen Untersuchung von Tumorbiopsien ist eine Abgrenzung des Mesothelioms zum Adenokarzinom und reaktiven Mesothel trotz einer Vielzahl immunhistochemischer Marker schwierig, so dass die Diagnose Mesotheliom häufig eine Ausschlussdiagnose ist. Die Prognose mit einer mittleren Lebenserwartung von 6 - 18 Monaten nach Diagnosestellung wird durch die gängigen Therapien nicht wesentlich beeinflusst und ist in den allermeisten Fällen infaust [1].

Microarrays dienen seit ihrer Entwicklung vor ca. 10 Jahren zur Analyse der Aktivität von bis zu vielen tausenden Genen gleichzeitig und können so Zellen und Gewebe auf molekularer Ebene charakterisieren. Ein Vergleich von Tumor- und Normalgewebe mittels Genexpressionsanalyse sollte Stoffwechselwege und Gene identifizieren, die das molekularbiologische Verständnis der Onkogenese verbessern und zu einer effektiveren Diagnostik führen. [2] [3] In der vorgestellten Untersuchung wurde das Tumorgewebe von 16 Patienten mit einem malignem Mesotheliom und die normale Pleura von 5 Patienten mittels Microarraytechnik analysiert. In der Anamnese zeigte sich bei den Tumorpatienten eine klar dokumentierte Asbestexposition in 15 von 16 Fällen.

Die RNA dieser Gewebeproben wurde isoliert und anschließend zur Steigerung der Reinheit mit DNase behandelt. Nach reverser Transkription von 10 µg totaler RNA wurde die mit einem radioaktivem Cytosinnukleotid markierte cDNA mit den Microarraymembranen, die 4132 DNA-Punkte enthielten, 12 Stunden lang hybridisiert. Nach Scannen der Membranen auf einem Phosphorimager wurden die Daten mit spezieller Software ausgewertet. Die Variabilität wurde anhand der 84 Housekeepinggene, die in doppelter Ausführung auf den Microarraymembranen aufgebracht waren, ermittelt; durchschnittlich lag diese bei 9,2 %. Die Daten wurden nun auf drei verschiedene Arten normalisiert: 1) unter Anwendung der so genannten „traditionellen Methode”, welche die Werte aller Gene auf einem Array einbezieht (die Expression jedes Gens wird durch die durchschnittliche Genexpressionsintensität des gesamten Arrays der jeweiligen Probe dividiert), 2) unter Berücksichtigung der Gene, die bei allen Array-Experimenten die geringste Variabilität aufweisen (der durchschnittliche Wert dieser Gene wurde als Normalisierungsfaktor benutzt) und 3) mittels der Gene, deren Standardabweichung in einer Gauss-Verteilung von dem Mittelwert bei 1 oder weniger lag und deren Expressionsniveau somit bei allen Arrays am ähnlichsten war [2] [3].

Bei der Berechnung der Verteilung der Genexpressionsintensitäten nach den verschiedenen Normalisierungsmethoden waren durchschnittlich 75 % der Gene beim Vergleich ohne Veränderung, d. h. die Mesotheliomproben wiesen im Vergleich zu den normalen Pleuraproben nur einen 0,5 - 2,0-fachen Unterschied auf. Mehr als um das Doppelte hochreguliert waren durchschnittlich 23 %, mehr als 2-fach herunterreguliert waren durchschnittlich nur 2 % der Gene. Zur Analyse der Signifikanz wurden neben den drei Normalisierungen noch jeweils drei verschiedene statistische Methoden angewendet: 1) ein t-Test, bei dem ein p-Wert kleiner 0,001 gefordert war, 2) Significance analysis of genes (SAM) und 3) Patterns of gene expression (PAGE), woraus sich 9 unterschiedliche Reihenfolgen bezüglich der Signifikanz der am meisten veränderten Gene ergaben. Es wurde festgelegt, dass sich ein signifikantes Gen auf mindestens 3 Listen befinden musste, wenigstens einmal von PAGE oder SAM als signifikant ermittelt wurde und einen mindestens 2-fachen Unterschied nach mindestens einer Normalisierungsmethode aufweisen musste. Nach diesen Kriterien zeigten sich beim Vergleich der Genexpression bei den Mesotheliomproben 166 Gene signifikant hoch- und 26 Gene signifikant herunterreguliert.

Insbesondere fielen die folgenden hochregulierten Stoffwechselwege und Gene auf:

Es wurde eine Hochregulierung vieler mRNA-Translation-Initiationsfaktoren gefunden. Diese Beobachtung wurde auch bei einigen anderen Tumoren mit der Karzinogenese in Verbindung gebracht 4. Viele Gene des Glukosemetabolismus waren aktiviert, die Steigerung der Glykolyse wurde bei vielen Tumoren nachgewiesen und erklärt auch die generell gute Darstellbarkeit des Mesothelioms mittels Positronenemissionstomographie (erhöht Aufnahme von 18FDG) 4 5 6. Die Mesotheliome zeigten eine verstärkte Expression vieler Gene, die Proteine der extrazellulären Matrix, des Zytoskeletts und des zytoskeletalen Umbaus kodieren. Mehrere Studien weisen Genen, welche das auf Actin basierende Zytoskelett regulieren, eine wichtige Rolle bei der Onkogenese zu 4 6. Entgegen den Beobachtungen beim Bronchialkarzinom hatten Gene, die als Onkogene oder Apoptose-Gene klassifiziert werden, keine beständigen Unterschiede (z. B. p53) 6. Weitere hochregulierte Gene von besonderem Interesse hinsichtlich Diagnose, Prognose und Therapie sind gp96, lung resistance related-Protein, Galectin-3 bindendes Protein, 67 kD Laminin-Rezeptor (auf Tumorgefäßen) und Spannungs-abhängige Anionenkanäle (VDAC). Bei Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass eine Immunisierung mit dem Hitzeschockprotein gp96 eine spezifische Immunität z. B. gegenüber Lungentumoren verursacht. Von prognostischer Relevanz könnte das hochregulierte lung resistance related-Protein sein, indem es den Erfolg einer Chemotherapie vorhersagen könnte und auch das Galectin 3-bindende Protein, welches bei Brust- und Lungenkrebs auf eine schlechte Überlebensrate hinweist. Die Aktivierung von VDAC 1 und 2 bei den Mesotheliomen erklärt möglicherweise die Resistenz der Tumoren gegenüber Apoptose und könnte für die Entwicklung neuer Therapien von Bedeutung sein. Eine Hochregulierung des 67 kD Laminin-Rezeptors wurde auch bei anderen Tumoren gefunden, in den hier diskutierten Versuchen zeigte sich eine verstärkte Expression auf den Tumorgefäßen, was mit Hilfe immunhistochemischer Methoden nachgewiesen wurde. Daraus könnte man eine Rolle dieses Rezeptors bei der Angiogenese von Tumoren schlussfolgern.

Ein bedeutendes herunterreguliertes Gen war das Tumorsuppressorgen Retinoblastoma-1. Eine Inaktivierung dieses Gens wurde in zahlreichen anderen Tumoren nachgewiesen.

Zur Validierung der Ergebnisse wurde die RNA von 10 der ursprünglichen Mesotheliom-Patienten auf 14 ausgewählte hochregulierte Gene hin in semiquantitativen RT-PCR-Experimenten untersucht und mit der RNA von 5 normalen Pleurapatienten verglichen. Die Tendenz der Expressionsunterschiede stimmte in allen Fällen bis auf den 67 kD Laminin-Rezeptor überein und konnte auch an 5 zusätzlichen Mesotheliom-Patienten bestätigt werden. In zusätzlichen immunhistochemischen Versuchen wurde gezeigt, dass der 67 kD Laminin-Rezeptor auf Tumorgefäßen, aber nur geringgradig von den Tumorzellen exprimiert wurde; der in den Microarrays beobachtete deutliche Anstieg der Expression von Cytokeratin 18 und gp96 ließ sich jedoch auch durch verstärkte Anfärbung der Mesotheliome nachweisen.

Eine Reihe der beschriebenen verändert exprimierten Gene eignen sich als Tumormarker für Diagnostik und Prognose oder als Zielstrukturen neuer Behandlungsstrategien, wobei eine weitere Validierung an größeren Patientenkollektiven erfolgen sollte.

Ausgewählte Literaturzitate

  • 1 Astoul P. Pleural mesothelioma.  Curr Opin Pulmonary Med. 1999;  5 259-268
  • 2 Baldi P, Long A D. A Bayesian framework for the analysis of microarray expression data: regularized t-test and statistical inferences of gene changes.  Bioinformatics. 2001;  17 509-519
  • 3 King H C, Sinha A A. Gene expression profile analysis by DNA microarrays: promise and pitfalls.  JAMA. 2001;  286 2280-2288
  • 4 Lu H, Forbes R A, Verma A. Hypoxia-inducible factor 1 activation by aerobic glycolysis implicates the Warburg effect in carcinogenesis.  J Biol Chem. 2002;  277 23 111-23 115
  • 5 Osthus R C, Shim H, Kim S. et al . Deregulation of glucose transporter 1 and glycolytic gene expression by c-Myc.  J Biol Chem. 2000;  275 21 797-21 800
  • 6 Cao X X, Mohuiddin I, Ece F. et al . Histone deacetylase inhibitor downregulation of bcl-xl gene expression leads to apoptotic cell death in mesothelioma.  Am J Respir Cell Mol Biol. 2001;  25 562-568

Dr. med. Rainer Wiewrodt

Schwerpunkt Pneumologie · III. Medizinische Klinik · Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität

55101 Mainz

Email: wiewrodt@3-med.klinik.uni-mainz-de

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