Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 5_034
DOI: 10.1055/s-2004-829691

Messung von Lebensqualität bei Patientinnen mit Brustkrebs: Stimmt die Erinnerung an den Verlauf der Lebensqualitätsänderung mit den prospektiv erhobene Daten überein?

C Hammerle 1, M Koller 2, W Lorenz 2, KD Schulz 1, U Wagner 1, US Albert 1
  • 1Klinik für Gynäkologie, gynäkologische Endokrinologie und Onkologie
  • 2Institut für Theoretische Chirurgie, Philipps-Universität Marburg

Fragestellung:

Ziel dieser Arbeit war zu prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen prospektiven und retrospektiv erhobenen Lebensqualitätsangaben besteht. Entspricht also die Erinnerung an die Lebensqualität, die während einer Brustkrebserkrankung empfunden wurde den damaligen erhobenen Lebensqualitätsdaten?

Material und Methoden:

Insgesamt wurden aus der prospektiven „Feldstudie zur regionalen Versorgung von Tumorpatienten mit Mamma- und Rektumkarzinom unter besonderer Berücksichtigung der Lebensqualität“ an der n=389 Patienten in einem Zeitraum von 5 Jahren teilnahmen, eine Untergruppe von 30 Brustkrebspatientinnen interviewt. Sie wurden gebeten anhand der Cantril-Leiter ihre Lebensqualität zum heutigen Zeitpunkt anzugeben und von dieser Angabe rückblickend diese zum Zeitpunkt „vor der Diagnose“, „Diagnosestellung“, „Operation“, „Entlassung“, „1. Nachsorgetermin“, „2. Nachsorgetermin“ und „4. Nachsorgetermin“ einzuschätzen. Beim EORTC-Fragebogen, der jeweils prospektiv im Rahmen des Nachsorgeprogramms ausgefüllt wurde, dient die Frage 29 und 30 der globalen Lebensqualitätsbestimmung. Durch lineare Transformation sind die Angaben auf der Cantril-Leiter vergleichbar mit den prospektiven EORTC-Angaben.

Ergebnisse:

Die gebildeten Mittelwerte der EORTC- und Cantril-Befragungen zeigen, dass prospektiv (=EORTC) eine relativ konstante Lebensqualität über den gesamten Zeitraum angegeben wird. Entlassung=5,9; 1. Nachsorge=5,9; 2. Nachsorge=6,4; 4. Nachsorge=6,1; Befragung=6,0. Dazu liegen diese Werte immer oberhalb des Durchschnitts „5“ bei verwendeter 10er-Skala. Die Cantril-Mittelwerte liegen bis auf den Zeitpunkt der Befragung immer unterhalb der EORTC-Werte, denen sie sich im Zeitachsenverlauf annähern. Entlassung=3,2; 1. Nachsorge=4,1; 2. Nachsorge=5,2; 4. Nachsorge=5,8; Befragung=6,1.

Schlussfolgerung:

Aufgrund des psychologischen Prozesses der Anspruchsniveauadjustierung sind Personen geneigt, ihre globale Lebensqualität stets etwas besser als der Durchschnitt einzuschätzen. So erklären sich die konstanten Werte über dem Skalendurchschnitt „5“ bei der prospektiven Erhebung (EORTC) als auch bei der Cantril-Messung zum Zeitpunkt heute. Bei der retrospektiven Beurteilung kommen sogenannte Ankereffekte zum Tragen. Wenn es mir heute „gut“ (6.1) geht, muss es mir – aus heutiger Sicht – bei Entlassung aus dem Krankenhaus schlechter gegangen sein (3.2). Die Aussage, welche Angaben „richtig“ oder „falsch“ sind, darf nicht getroffen werden. Als klinische Konsequenz bleibt die Feststellung, dass bei der Beurteilung von Lebensqualitätsangaben der Erhebungsmodus (retrospektiv oder prospektiv) ganz wesentlich berücksichtigt werden muss.