Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 6_020
DOI: 10.1055/s-2004-829677

Interventionsmöglichkeiten des Frauenarztes aus der Sicht des Familienforschers

LA Vaskovics 1
  • 1Staatsinstitut für Familienforschung, Universität Bamberg

Sozialwissenschaftliche Befunde dokumentieren schon seit mehreren Jahrzehnten eine die Familie betreffende Entwicklung, deren wichtigste Kennzeichen sind:

  • Vor der Eheschließung leben fast alle Paare über eine längere Zeit in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

  • Das Eheschließungsalter steigt kontinuierlich an.

  • Die Frauen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes immer älter.

  • Im jüngeren Lebensalter schließen nur ganz wenige Frauen und Männer aus, dass sie einmal ein Kind bekommen.

  • Gewünscht werden mehrheitlich zwei Kinder (häufig 1–2 oder 2–3 Kinder).

  • Der Anteil der gewünschten, aber nicht realisierten Kinder steigt. Besonders häufig werden geplante Zweit- oder Drittkinder das Licht der Welt nicht erblicken.

  • Die Tatsache, dass geplante Kinder nicht geboren werden, hängt sicherlich von vielen sozioökonomischen Bedingungen ab, aber auch damit, dass insbesondere der Zeitpunkt des ersten Kindes hinausgeschoben wird, und dann der Kinderwunsch aus medizinischen Gründen nicht mehr realisiert werden kann.

  • Darunter leiden die Partnerschaftsbeziehungen und führen zu psychischen Belastungen.

  • Die Ansprüche an die Partnerschaft sind außerordentlich hoch und nach wie vor im Steigen begriffen. Dasselbe gilt für die Erwartung selbst „eine gute Mutter“ oder „ein guter Vater“ zu sein. Diese Erwartung erweist sich häufig als Hürde oder als Ursache für Trennung und Scheidung.

  • Individuelle Probleme, die aus diesen Entwicklungstrends resultieren, werden in der Partnerschaft tabuisiert und in der Partnerschaft oft erst zum Thema, wenn die Krise nicht mehr zu bewältigen ist. Konsequenz sind die häufigen Trennungen und Scheidungen.

In unserer Gesellschaft werden junge Leute auf die Partnerschaft und Elternschaft (von wenigen Ausnahmen abgesehen) systematisch nicht vorbereitet. Weder in der Herkunftsfamilie noch in der Schule noch im Rahmen der Erwachsenenbildung. Die jungen Leute werden mit ihren Problemen allein gelassen, es fehlt eine institutionelle Unterstützung. In diesem Zusammenhang wird die Rolle des Frauenarztes in diesem Referat thematisiert. Durch den besonderen Zugang der Frauenärzte zu jungen Menschen ergeben sich Chancen, aber auch Verpflichtungen für Frauenärzte aufklärend und beratend in die oben erwähnten Entwicklungstrends einzugreifen. Diese Möglichkeiten werden in meinem Referat zur Diskussion gestellt.