Hebamme 2004; 17(2): 72
DOI: 10.1055/s-2004-829430
Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Hebammentätigkeit und Strukturen

Mechthild M. Groß
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Publication Date:
05 December 2006 (online)

Die meisten Beiträge dieses Heftes beziehen sich auf den 14. Forschungsworkshop für Hebammen, der vom 31. 10. bis 1. 11. 2003 in Fulda stattfand. Die Artikel verweisen auf aktuelle Themen der Hebammentätigkeit in Weiterbildung und Praxis.

So zeigt der Beitrag zur Entwicklung des australischen Hebammenwesens die enge Verpflechtung mit der Krankenpflege (Schäfer). Um aus dieser engen Anbindung herauszukommen, wurde 2002 in Australien erstmals eine direkte universitäre Hebammenausbildung begonnen. Hierzulande gibt es bereits seit mehreren Jahrhunderten einen sich ständig entwickelnden Hebammenberuf mit einer direkten Hebammenausbildung an einer Klinik. In weiterqualifizierenden Akademisierungsfragen wird an einigen Orten der Anschluss an die Pflege gesucht. Dadurch kann die berufliche Unabhängigkeit, wie sie in Australien durch die direkte universitäre Hebammenausbildung angefangen wurde, hierzulande aufs Spiel gesetzt werden.

Auch im deutschsprachigen Gebiet ist die Entwicklung von Weiterbildungsstudiengängen für Hebammen an einer Universitätsklinik der Schlüssel für eine zukünftige eigenständige berufliche Entwicklung. Mit dem Umzug der Frauenklinik auf das Gelände der Medizinischen Hochschule Hannover soll ein Weiterbildungsstudiengang für berufserfahrene Hebammen initiiert werden und dabei die unterschiedlichen universitären Kapazitäten nutzen.

Betreuungsmodelle für Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen sind Gegenstand der akademischen Lehre. Sie unterscheiden sich im europäischen Vergleich und stimulieren dadurch die weitere Entwicklung in dem jeweils benachbarten Land. Schwangere in der Schweiz, den Niederlanden und Schottland übernehmen Verantwortung für ihre neue Situation (Luyben). Sie drücken dies teilweise sehr unterschiedlich aus und (re)agieren damit nicht zuletzt auf Gegebenheiten ihres Versorgungssystems.

Ein intrapartales Betreuungsmodell stellt die Hebammengeburt am Berner Inselspital dar (Cignacco und Büchi). Sie ist neben dem Wiener Angebot im deutschsprachigen Raum das zweite Praxismodell einer universitären Frauenklinik, in der Normalgebärende ihre hebammengeleitete Nische gefunden haben. Zahlreiche randomisierte Studien haben belegt, dass die Hebammengeburtshilfe verglichen mit der ärztlich geleiteten Geburtshilfe ein gleichwertiges Outcome hervorbringt. Zusätzlich zeigen die Schweizer Zahlen, dass Hebammen weniger intervenieren und dadurch kostengünstiger arbeiten.

Bringt man diese Befunde mit denen der immer weiter steigenden Einleitungszahlen zusammen, wie sie von Schwarz und Schücking beschrieben werden, so kann hebammengeleitete Betreuung vorteilhaft sein für die Förderung der normalen Geburt. Auch in Deutschland wird es nach den regionalen Anfängen bald einen universitären Kreißsaal geben, in dem Hebammen Geburten mit dem Arzt im Hintergrund begleiten.

Bereits jetzt formulieren Hebammen ihre Beobachtungen in Form von Hypothesen (Schober). Geeigneterweise findet die wissenschaftliche Vertiefung von Hebammenwissen in einem Weiterbildungsstudiengang statt, der direkt einer universitären Frauenklinik angegliedert ist (Oblasser). Damit auch im universitären Kreißsaal Hebammenwissen generiert werden kann, braucht es entsprechend ausgewiesene Räume für die normale Geburt.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre

Dr. Mechthild M. Groß