Die Pflege eines Kindes mit neonatalem Drogenentzug ist für das Pflegepersonal eine besondere Herausforderung. Ein Kind mit neonatalem Drogenentzug ist alles andere als pflegeleicht. Häufige Schreiattacken und ständige Unruhe erfordern eine große Aufmerksamkeit und viel Geduld. Die Versorgung weiterer Patienten ist kaum möglich. Allerdings ist aufgrund der immer wiederkehrenden Symptomatik die Problemerfassung und Zielsetzung in der Kindesversorgung relativ einfach. Die Pflege des Kindes beinhaltet vor allem die Vermittlung von Ruhe. Alle Pflegemaßnahmen sollten gut koordiniert sein und der Kreis von Bezugspersonen sollte klein gehalten werden. Höchste Priorität hat das Einbeziehen der Eltern in die Versorgung des Kindes.
Die eigentliche Herausforderung beim neonatalen Drogenentzug besteht jedoch im Umgang mit den Eltern. Unser Denken und Handeln wird von Vorurteilen beeinflusst, und das Mitgefühl dem Kind gegenüber erweckt im Pflegeteam nicht selten Wut auf die Eltern und das Bedürfnis, das Kind zu schützen. Die Eltern wiederum begegnen den Pflegenden mit Ablehnung und Misstrauen. Sie verhalten sich diesen gegenüber gereizt, beleidigend und sogar aggressiv. Aufgrund des gespannten Verhältnisses zum Pflegepersonal fallen Besuche oft nur kurz aus und beschränken sich auf die reine Versorgung des Kindes. Die wichtige Phase des bondings misslingt somit häufig.
Gleichermaßen ist das Pflegepersonal auch durch den neonatalen Drogenentzug überfordert. Das Bemühen, den hohen pflegerischen Ansprüchen des Kindes gerecht zu werden und Konfliktsituationen mit den Eltern zu vermeiden, stellt eine erhebliche Belastung dar. Das Team wird rasch in „gute“ und „schlechte“ bzw. „böse“ und „nette“ Schwestern gespalten.
Aufgrund dieser Beobachtungen wurde in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität zu Lübeck ein Standard für die Pflege von Neugeborenen mit Drogenentzug im Rahmen des Modellprojektes „Integrative Versorgung beim neonatalen Drogenentzug“ entwickelt. Ziel war es, neben einer patientenorientierten Versorgung ein Konzept anzuwenden, mit dem einerseits die drogenabhängigen Eltern auf ihre Zuverlässigkeit im Aufbau einer Beziehung zu ihrem Kind überprüft, andererseits aber auch die beschriebenen Spannungen zwischen Pflegeteam und Eltern vermieden werden können. Der Vortrag stellt dieses Konzept vor und geht auf die damit gewonnenen Erfahrungen ein.