Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 35
DOI: 10.1055/s-2004-829240

Kell/Diegoa Inkompatibilität bei Gemini als Ursache eines Morbus hämolyticus neonatorum

P Nitsch 1, J Hoch 1, A Geipel 1, P Hanfland 1, U Gembruch 1, P Bartmann 1, A Heep 1
  • 1Universitätsklinikum Bonn (Bonn, Deutschland)

Einführung:

Kell- Antikörper sind nach ABO- und Rh- Antikörpern die häufigste Ursache einer Blutgruppeninkompatibilität. Das Diego Merkmal Dia ist im Vergleich zu Dib in der europäischen Bevölkerung ein seltenes Blutgruppenmerkmal (<0.01% versus >99.99%). Dia Antikörper werden in den routinemäßig durchgeführten Antiköper-Suchtests in der Regel nicht erfasst. Anti-Dia wird eine hämolytische Aktivität im Rahmen des M. hämolyticus neonatorum zugeschrieben.

Hintergrund:

Wir berichten über die Kombination je einer isolierten Kell bzw. Dia Inkompatibilität in einer Zwillingsgravidität.

Kasuistik:

Spontane dichoriale Gemini-Gravidität. In der 8. SSW wurde bei der Schwangeren (Blutgruppe: 0 Rhesus positiv, Kell negativ) ein Anti-Kell mit massiv erhöhtem Titer (1:16384) bestimmt. Durch Amniozentese wurde eine fetale Kell Genotypisierung durchgeführt: Fet 1: Kell negativ; Fet 2: Kell positiv. In der 22. SSW wurde erstmalig Fet 2 transfundiert (Hb 3.2g/dl vor, 8.9g/dl nach Transfusion). Insgesamt wurden 9 intrauterine Transfusionen (IUT) durchgeführt.

Bei im weiteren unauffälligem SS Verlauf erfolgte die Geburt in der 35. SSW.

Postnatale hämatologische Diagnostik: Fet/Zwilling 1: Blutgruppe: 0, Rh positiv, Kell negativ, direkter Coombstest positiv, Hb 14,6g/dl, MCV 125 fl, Retikulozyten 8,62%; HbF 100%.

Fet/Zwilling 2: Blutgruppe: Z. n. IUT, nicht bestimmbar, direkter Coombstest: negativ; Hb 11,2g/dl, MCV 78 fl; Retikulozyten 0,14%; HbF 0%.

Der 1. Zwilling entwickelte eine frühe Hyperbilirubinämie und Zeichen einer Hämolyse (Hb 11,4g/dl, Retikulozyten 10%), die durch dreitägige Phototherapie behandelt wurde. Im Erythrozyteneluat wurden coombsreaktive Antikörper zunächst unklarer Spezifität nachgewiesen. Die weitere immunologische Differenzierung ergab den Nachweis von Anti-Dia.

Der immunhämatologische Befund der Mutter ergab hinsichtlich der AK-Konstellation: Anti-Kell, Anti-Dia. Die Typisierung der väterlichen Erythrozyten bezüglich Kell-und Diego-Antigene ergab: Kell positiv/Dia positiv.

Schlussfolgerung

Das Diegoa-Antigen ist in der europäischen Bevölkerung selten. Es kann, wie in der Literatur beschrieben, zu einem Morbus hämolyticus neonatorum führen. Bei einem Neugeborenen mit positivem direktem Coombstest sollte bei negativem maternalem Ak-Suchtest an seltene Ak-Spezifität wie in diesem Fall Dia gedacht werden.