Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 12_083
DOI: 10.1055/s-2004-828864

Klinisches Risiko- und Qualitätsmanagement aus Sicht des Versicherers

D Warnecke 1
  • 1Qualitätsmanagement und Risikoberatung, Lage

„Die Qualitätssicherung in der operativen Gynäkologie erfolgt bislang nur lückenhaft ...“ (Zitat von Geraedts, Kugler, IMI, Tübingen). Eine derartige Aussage erlaubt dann ja wohl auch nach dem Sinn und Zweck der derzeitigen Qualitätssicherung zu fragen. Bekanntermaßen wird hierfür erhebliches Potenzial menschlicher Arbeitsleistung verbraucht.

Erfahrung zeigen, dass es einen erheblichen Aufwand an patientenfernen Aktivitäten bedeutet, die geforderten QS-Maßnahmen umzusetzen. Gleichwohl ist auch eine nicht zu verschweigende Frustration der Beteiligten zu erkennen, weil diese Art der Tätigkeit nichts dem eigentlichen ärztlichen Beruf zu tun hat. Diese administrativen Tätigkeiten fallen in eine Zeit, die geprägt ist durch sehr begrenzte personelle wie finanzielle Ressourcen und mitten im Umbruch des Gesundheitswesen stehen. Da muss die Frage nach dem Outcome derartiger Datensammlungen erlaubt sein. Welchen Benefit hat der Chefarzt bzw. seine ärztlichen Mitarbeiter oder gar die Patientin davon? Es ist allgemein bekannt, dass die Datenqualität nicht immer so ist, wie diese erforderlich wäre, um valide Qualitätsaussagen machen zu können. Dies hat sicher nicht nur mit der Fülle der Daten zu tun, sondern auch mit der Eingabe dieser Daten in die entsprechende EDV-Software.

Eines ist trotz angebrachter Skepsis hinsichtlich der Datenmenge klar. Typischerweise bedient sich die Qualitätssicherung der Sammlung und Auswertung von retrospektiven Daten. Qualitätssicherung hat daher primär keinen Einfluss auf die Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität. Erst wenn konkrete, gemeinsam vereinbarte Ziele (Behandlungsziele) definiert sind, kann es möglich sein, einen Teil der Daten für die einzelne Klinik zu nutzen. Aus meiner Sicht ist es effektiver und effizienter gemeinsame operative und geburtshilfliche Standards bzw. Behandlungspfade in der Klinik zu erstellen, da hierin die Interprofessionalität inklusive der notwendigen Verzahnung der Leistungserstellung deutlich wird. Jeder der daran partizipieren will, muss seine monoprofessionellen Leistungen definieren und mit denen der anderen Berufsgruppe abstimmen. Die Prozessqualität ist unter Berücksichtigung der Strukturqualität mit einfachsten Mitteln darzustellen. Nur so kann ein positiver Einfluss auf die letztendlich entscheidende Ergebnisqualität genommen werden. Überdies sind ohnehin alle Kliniken aufgefordert ein Qualitätsmanagement-System aufzubauen und darzustellen. Aber eines sollte ebenso klar und wie unmissverständlich sein, die Determinanten zur Erstellung solcher innerbetrieblichen Behandlungspfade sind nicht variabel. Die Zieldefinition muss die externe und interne Qualität, die Ökonomie und das Haftungsrisiko eindeutig inkludieren. Des Weiteren ist eine maximal mögliche Transparenz der angebotenen Leistungen sicherzustellen.

Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf die hier in Rede stehende Qualitätssicherung. Nehmen wir einmal an, der Umfang der bisherigen Datensammlung, zumal sich nur Hessen effektiv daran beteiligt, bleibt so oder nimmt ungünstigerweise noch zu, dann muss neben dem fraglichen Benefit auch der konkrete Umgang mit diesen Daten hinterfragt werden. Die Zeitverzögerung mit der die Daten vorliegen, ermöglicht keine zeitnahe Diskussion eben dieser Daten, insofern ist das Lernen aus diesen Daten erheblich eingeschränkt. Ohnehin möchte ich bezweifeln, ob es in den Kliniken bei den knappen Ressourcen regelmäßig zu einem Austausch über diese Daten mit möglicherweise notwendigen Konsequenzen kommt. Alle diese Beobachtungen lassen mich zu dem Fazit kommen, das diese Kommunikation auch wirklich regelmäßig stattfinden müsste, um auf die Ergebnisse adäquat reagieren zu können. Um einmal die Erfahrungen aus der Berater-Praxis hier zu kommunizieren. Es ist wesentlich effektiver und effizienter für die Ärzte und in der Folge für die Patientinnen, wenn es der Klinik gelingt zeitnahe Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen zu organisieren, um hieraus schnell umsetzbare verbindliche Konsequenzen für die Organisation ziehen zu können. Das Optimum wäre ein installiertes Zwischenfallmelde- und -analysesystem.

Neben den vorgenannten Aspekten der QS-Maßnahmen erwartet der Gesetzgeber die Erstellung des Qualitätsberichtes nach § 137 SGB V. Auch hier geht es um die Abgabe von Daten, erstmalig in 2005 auf Datenbasis 2004, wobei deren Brisanz nicht zu unterschätzen ist. Immerhin sind es u.a. die Landesverbände der Krankenkassen die Empfänger dieses Qualitätsberichtes sein werden. Ohne ein transparentes und gut funktionierendes Qualitätsmangement-System wird es zunehmend schwer fallen, den Q-Bericht mit entsprechenden positiven Daten abzugeben.

Der Haftpflichtversicherungsmarkt (Oligo-Okönomie) ist kaum noch ein eigentlicher Markt auf dem ein nennenswerter Wettbewerb stattfindet. Die Terrorerfahrungen, die Naturkatastrophen und stetig steigende Schadenregulierungen in der Höhe und in der Anzahl sowie weitere Gründe haben viele Versicherer veranlasst, dass Haftpflichtrisiko nicht mehr zu decken. Die kapitalen Verluste dieser Sparte ist den Aktionären schlichtweg nicht mehr zu vermitteln. Die Folgen sind nahezu fatal. Einerseits exorbitant steigende Versicherungsprämien. Andererseits konkrete Vorgaben der Versicherungswirtschaft bis weit in die Sphäre der Leistungserstellung der Klinik. Darüber hinaus verlangen die meisten Versicherer einen geeigneten Nachweis zu durchgeführten Risiko-Management-Projekten, zumindest in den Hochrisiko-Disziplinen.

Mein Appell geht in die Richtung, die da heißt:

Weniger ist oft mehr! Die alles entscheidende Frage lautet:

Was kann eine Klinik und was können die Fachverbände tun, um zukünftig eine medizinische/pflegerische Dienstleistung anzubieten, die die geforderten primären und sekundären Qualitäten unter Berücksichtigung der ökonomischen Dimension beinhaltet?