Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 9_080
DOI: 10.1055/s-2004-828861

Behindert die Qualitätssicherung die Qualität der frauenärztlichen Arbeit?

L Spätling 1
  • 1Frauenklinik, Klinikum Fulda, Fulda

Qualitätssicherung (QS) ist ein fester Bestandteil ärztlicher Arbeit. Welchen positiven Effekt QS hat, zeigt die Wirkung der Perinatalerhebung. Hatte Deutschland bezüglich der perinatalen Mortalität in den 70-er Jahren im internationalen Vergleich noch einen mittleren Platz, so wird seit Jahren eine Spitzenposition gehalten.

Nach über 20 Jahren nimmt die Dokumentation zur QS ergänzt durch verwaltungstechnische Daten einen derart großen Raum im ärztlichen Tagesablauf ein, dass wir Gefahr laufen, Abstriche in der Qualität unserer ärztlichen Arbeit hinnehmen zu müssen. Wegen des Zwanges zur zeitgerechten Datenabgabe wird die fehlende Zeit bei der eigentlichen ärztlichen Arbeit am Patienten, der patientenorientierten Kommunikation und der Fortbildung eingespart.

Die Forderung nach Daten steigt stetig.

  • Die Items der Perinataldokumentation haben sich seit 1975 fast verfünffacht.

  • Hinzu kam die operative QS mit einem umfangreichen Katalog für die Brust.

  • Die zeitaufwendige DRG-Verschlüsselung vergrößert den Datenaufwand.

  • Das DMP Brustkrebs generiert zusätzlich Daten.

Wie kommt es zu den unermesslichen Datenbegehrlichkeiten?

  • Die für die Perinatalerhebung Verantwortlichen laufen Gefahr, das oberste Ziel, die Qualität zu sichern, aus den Augen zu verlieren. Wegen der großen Ferne derer, die in den Gremien sitzen, zu denen, die die Daten generieren müssen, geht das Augenmaß für deren Menge verloren.

  • Es werden zu leicht externe Erhebungswünsche aufgenommen ohne einen Gedanken an den Zeitaufwand bei den Datenerhebenden.

  • Die Abhängigkeit der Krankenhäuser von den Krankenkassen lähmt den Widerstand der Krankenhäuser gegenüber zusätzlichen Datenbegehrlichkeiten. Zudem sind es auch nicht die Mitarbeiter der Verwaltungen, die diese Daten erheben müssen, sondern die Ärzte.

Die Resourcen werden knapper.

  • Seit der Verabschiedung des Arbeitszeitgesetzes wird vermehrt darauf geachtet, dass die Ärzte auch für ihre geleistete Arbeit bezahlt werden. So steht ein Assistenzarzt dem Krankenhaus heute weniger als früher zu Verfügung.

  • Wegen minderer Einnahmen der Krankenhäuser, werden Überstunden in Freizeit abgegolten.

  • Nicht zuletzt wegen der hohen Dokumentationsaufgaben des Arztes wird zunehmend schwieriger, qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Ist die Qualität der Daten so gut, das man Rückschlüsse aus ihnen ziehen kann?

  • Fragen können nur so gut beantwortet werden, wie sie von den Datenerhebenden verstanden und deren Sinn erkannt werden.

  • Das Lesen von Eingabehilfen wird aus Zeitmangel oft unterlassen.

  • Oft werden die jüngsten und damit unerfahrensten Ärzte mit der Dateneingabe betraut.

  • Es kann vermutet werden, dass bei zunehmendem Zeitdruck nicht die korrekte, sondern die bequemste und schnellste Eingabe durchgeführt wird.

Was kann getan werden?

  • Beschränkung der Abfragen auf das Wesentlichste

  • Entwicklung neuer Instrumente zur QS

  • Vereinheitlichung der Programme

  • Reduzierung von redundanten Dateneingaben

  • Unterstützung der Arbeit durch nichtärztliches Personal

Wenn Gesetzgeber, Fachgesellschaften, Krankenkassen, Krankenhausverwaltungen valide Daten bei guter ärztlicher Arbeit haben wollen, dann müssen sie auch dafür sorgen, dass entsprechende Mittel bereitgestellt werden, sonst wird die Arbeit am Patienten und die Datenqualität leiden.