Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 5_068
DOI: 10.1055/s-2004-828849

Reduktion von postoperativen Adhäsionen?

R De Wilde 1
  • 1Frauenklinik, Pius Hospital, Oldenburg

Trotz möglichst schonender OP-Techniken entstehen Adhäsionen nach bis zu 90% aller abdominalen Eingriffen.(1) Sie stellen ein großes Problem in der Gynäkologie dar, da sie in nicht wenigen Fällen Infertilität oder chronische Schmerzen hervorrufen und noch Jahre nach der Operation zu einem Ileus führen können. Eine epidemiologische Studie in Schottland an 8849 Frauen mit offener gynäkologischer Operation in 1986 hat gezeigt, dass 1/3 davon im Laufe von 10 Jahren insgesamt 5433 Mal rehospitalisiert werden musste. 4,5% der Wiedereinweisungen waren direkt adhäsionsbedingt und weitere 35% möglicherweise adhäsionsbedingt.(2) Trotz Einführung der etwas weniger adhäsionsbelasteten laparoskopischen Technik zeigen neuere Daten von 24046 Frauen mit offenen und laparoskopischen Eingriffen in 1996, dass die Laparoskopie nicht mit einem geringeren Risiko von adhäsionsbedingten Rehospitalisierungen verbunden ist als offene Operationen.(3)

Zur Reduktion des Verwachsungsrisikos in der kritischen Wundheilungsperiode von 4–5 Tagen post OP können sog. Adhäsionsbarrieren eingesetzt werden. Feste Barrieren sind bioresorbierbare Membranen, mit denen Wundflächen abgedeckt werden können. Sie sind nur beschränkt lokal wirksam und ihr Handling ist z.T. aufwendig und bei laparoskopischen Eingriffen erschwert. Flüssige Barrieren sind einfacher zu handhaben und bieten einen wesentlich umfassenderen Schutz. Seit kurzem ist eine nicht-viskose Flüssigbarriere (4% Icodextrin) verfügbar, die in einem Volumen von 1 L nach OP-Ende in die Bauchhöhle instilliert wird. Das erhöhte Flüssigkeitsvolumen im Peritonealspalt führt zu einer besseren Trennung der Peritonealflächen und ermöglicht eine Hydroflotation der Organe, was der Adhäsionsbildung in der gesamten Bauchhöhle entgegenwirkt. Icodextrin wird als polymeres Molekül nur sehr langsam resorbiert wird und nach Resorption schnell zu Oligosacchariden und zu Glucose abgebaut. Nach 4 Tagen ist noch ca. 50% der Flüssigkeit im Bauchraum vorhanden.

4%ige Icodextrinlösung (Adept®) reduzierte in Standard-Tiermodellen (Uterushorn- und Abdominalwandmodell am Kaninchen) die Inzidenz, das Ausmaß und den Schweregrad der Adhäsionen um 50–70% und war einem Instillat von Ringer-Lactat- oder NaCl-Lösung hochsignifikant überlegen.(4) In einer ersten klinischen randomisierten Studie an 62 Patientinnen mit laparoskopischen Eingriffen an den Adnexen und einem Second Look nach 6–12 Wochen hemmte Adept® die Inzidenz, das Ausmaß und den Schweregrad der Adhäsionen um 20–56% im Vergleich zum Adhäsionssitus beim First Look, wohingegen in der Kontrollgruppe (Ringer-Laktat) sich eine Verschlechterung von 25–30% bzgl. Inzidenz und Schweregrad ergab.(5) In einem europaweiten Register (ARIEL) wurde Handhabbarkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Adept® bei routinemäßiger Anwendung standardisiert an über 4000 Patienten dokumentiert. Die Auswertung zeigt ein insgesamt sehr gutes Verträglichkeits- und Sicherheitsprofil. Die Sicherheit des Wirkstoffes wird durch die langjährigen Erfahrungen (mehr als 36000 Patientenjahre) mit dem chronischen Einsatz einer 7,5%igen Icodextrinlösung als Peritonealdialysat unterstrichen.

Insgesamt kann daher 4%ige Icodextrinlösung als eine sehr einfach anzuwendende Adhäsionsbarriere mit einer vielversprechenden Nutzen-Risiko-Relation bewertet werden. Weitere randomisierte, doppelblinde klinische Wirksamkeitsstudien in gynäkologischen Indikationen mit Second Look laufen derzeit.

Literatur: (1) Menzies D & Ellis H, Ann R Coll Surg Engl 1990, 72: 60–63; (2) Lower AM et al, Br J Obstet Gyn 2000, 107: 855–62; (3) Lower AM et al, ESHRE 2003 (Abstr. O-156); (4) Verco SJS et al, Human Reprod 2000, 15: 1764–72; (5) DiZerega GS et al, Human Reprod 2000, 17: 1031–38.