Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 13_042
DOI: 10.1055/s-2004-828823

Frühgeburtlichkeit und fetaler Hirnschaden

R Berger 1
  • 1Frauenklinik, Marienhaus GmbH St. Elisabeth, Neuwied

Jahr für Jahr erleiden in Deutschland ca. 1000 frühgeborene Kinder einen Hirnschaden während der Perinatalzeit. Je nach Ausmaß und Lokalisation des Insultes entwickeln diese Kinder spastische Paresen, Choreoathetosen, Ataxien und sensomotorische Integrationsstörungen. Nicht selten sind auch Spätschäden im auditiven und visuellen System sowie Beeinträchtigungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit zu beobachten. Wie neuere Untersuchungen zeigen, können diese Schäden wohl nicht nur durch einen Sauerstoffmangel verursacht werden, sondern auch im Zuge einer aszendierenden intrauterinen Infektion auftreten. So konnte nachgewiesen werden, dass mütterliches Fieber unter der Geburt oder eine erhöhte Zytokinkonzentration im Fruchtwasser mit einer erhöhten Inzidenz an kindlichen Hirnblutungen oder einer periventrikulären Leukomalazie assoziiert waren. Experimentell konnte gezeigt werden, dass Lipopolysacchride (LPS), Zellwandbestandteile gramnegativer Bakterien, eine prolongierte arterielle Hypotension beim Feten hervorrufen können. Diese Hypotension ist begleitet von einer plazentaren Minderperfusion und einem Abfall des zerebralen Sauerstofftransportes. Hirnschäden können in einer solchen Situation auftreten. Darüber hinaus gibt es deutliche Hinweise, dass eine Inflammation des fetalen Gehirns einen hypoxisch-ischämischen Insult verstärken kann. So konnte experimentell nachgewiesen werden, dass die Applikation von LPS in den Liquor cerebri zu signifikant größeren hypoxisch-ischämsichen Hirnschäden führte. Auch scheinen Zytokine, die im Rahmen einer aszendierenden intrauterinen Infektion freigesetzt werden, das fetale Nervenstützgewebe direkt zu schädigen. Betroffen sind die markscheidenbildenden Zellen, die sogenannten Oligodendrozyten, vor allem deren Vorläuferstufen. Zytokine induzieren hier einen apoptotischen Zelltod und beeinträchtigen die Ausdifferenzierung von Vorläuferzellen in reife Oligodendrozyten. Diese Schäden können durch die Gabe verschiedener Kortikosteroide signifikant reduziert werden. Angesichts der hohen Bedeutung von fetalen Hirnschäden für das weitere Leben der betroffenen Kinder, ist eine intensive Forschung zur Pathogenese dieser Insulte dringend geboten. Neue therapeutische Konzepte können nur auf dieser Basis entwickelt werden.