Zentralbl Gynakol 2004; 126 - 8_022
DOI: 10.1055/s-2004-828803

Familienzentrierte Kooperation von Hebammen und Frauenärzten

EM Chrzonsz 1
  • 1Bund deutscher Hebammen, Fulda

Mit meinem Beitrag zur Tagung möchte ich nicht auf die medizinische Kompetenz der Berufsgruppen von Ärzten und Hebammen eingehen, sondern auf die darüber hinausgehenden Qualitäten unserer Arbeit mit Frauen und Paaren in der Begleitung während der Schwangerschaft und des Wochenbettes, bzw. Kleinkindphase.

Es ist eine Beziehungsarbeit zwischen unseren „Kunden“ und zwischen uns als Berufsgruppen.

Die Aufgabe, beider Berufsgruppen, besteht darin, Frauen/Paare, vor – während – nach der Geburt zu begleiten. Auf der medizinischen und auf der psychosozialen Ebene. Die ist eine Herausforderung an Professionen, die durch Ihre Ausbildungen beide fast ausschließlich medizinisch geprägt sind.

Eine besondere Aufgabe sehe ich auch darin, den werdenden Vater (freiwillig) in diese Prozesse zu integrieren.

Erfreut habe ich den Artikel „ Schwangerschaftsbetreuung, Neue Wege beschreiten“ von Frau Dr. Schumann im Deutschen Ärzteblatt (Heft 9) gelesen. Es zeigt, dass sich Berufsgruppen aufeinander zu bewegen.

Ihre Erfahrung kann ich bestätigen: „Besonders schätzen Frauen die für sie spürbare Kooperation zwischen Ärztin und Hebamme bei gleichzeitig „unterschiedlicher Sichtweise“ und die zusätzliche Informationen und Angebote durch die Hebamme“ (Schumann)

Ebenso freue ich mich, dass das Thema Familienbegleitung auf dieser Tagung Raum und Zeit findet.

Diese Beispiele machen Mut für neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Hebammen.

Kooperationen, d.h. Arbeitsbeziehungen zwischen Hebammen und Ärzten, sind Teil eines Beziehungssystems, das jede/jeder von uns in der täglichen Praxis erlebt und beobachtet. In diesem Beziehungsgeflecht spiegeln sich gesellschaftliche, kulturelle, institutionelle und ideelle Rahmenbedingungen wieder.

Die Qualität der Betreuung und Begleitung liegt nicht nur im Wissen und im Handwerklichen, sondern gerade auch darin, dass wir Beziehungen herstellen können.

Um die Dynamik von Unsicherheit, Angst, Abgrenzung und Konkurrenz zu vermeiden, ist eine neue Dynamik von Sicherheit, Kommunikation, Selbstannahme, Kooperation und vor allem Wertschätzung nötig.

Dazu gehören Orte der Begegnung und des Austausches, z.B. gemeinsame Fortbildungen, um Möglichkeiten für Kooperationen und gemeinsame Reflexion zu schaffen.

In diesem Zusammenhang ist auch eine Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in der Betreuungsarbeit gegeben. Wir müssen in der Gesellschaft ein Bewusstsein schaffen, dass fachliche Begleitung in den Übergangsphasen, von der Frau zur Mutter, vom Paar zu Eltern wichtig und notwendig sind.

Im außerklinischen Bereich besteht für uns alle ein großer Freiraum für die berufliche Entfaltung.

In Dänemark, Schweden u. Großbritannien gibt es bereits spezielle Kooperationszentren zwischen Hebammen und FachärztInnen. Mit guten Erfolgen!

Im Arbeitsfeld der freiberuflichen Hebammen ist es die Geburtsvorbereitung und die Nachsorge, die seit Jahren viel in Anspruch genommene Leistungen sind.

Wir merken es oft daran, dass sich Frauen/Paare beim nächsten Kind wieder anmelden um sich Begleitung zu holen.

Vorraussetzung für eine adäquate ganzheitliche Begleitung und Unterstützung der werdenden und jungen Eltern während der Schwangerschaft, der Geburt und dem Leben mit dem Neugeborenen ist es, eine stabile und fruchtbare Beziehung zu den uns anvertrauten Menschen aufzubauen.

In der sensiblen Phase der Familiengründung oder Erweiterung wird bekannte, vertraute und kontinuierliche Begleitung benötigt. Das heißt, frühstmögliche Kontakte knüpfen und langfristig begleiten.

Zur ganzheitliche Betreuung werdender und junger Mütter/Eltern gehören eine verständnisvolle und sorgfältige Beratung.

Dies kann in der Schwangerschaft die Schwangerenvorsorge und die Geburtsvorbereitung durch Hebammen und Ärzte sein.

Darüber hinaus – nach einer selbstbestimmten Geburt – eine kompetente und vertraute Begleitung in der Phase der Rückbildung und Neufindung im Wochenbett.

Dort kommen dann als weitere Professionen die Kinderärzte, Stillgruppenleiterinnen, KrabbelgruppenleiterInnen u.a. hinzu.

Die entstehenden Beziehungskonstellationen sind genau anzuschauen. Nicht selten entsteht, zwischen Hebamme und Frau, eine Mutter-Tochter-Beziehung. Sehr häufig durch eine längere intensive Begleitung der Frau in der Schwangerschaft und im Wochenbett. (Kirchner)

Gerade in den Beziehungen zu anderen Menschen leben wir in Mustern.

In dem Betreuungsverhältnis zwischen Hebamme und werdender Mutter begegnen sich 2 Frauen. Beide gestalten die Beziehung aufgrund ihrer Erfahrungen, die sie in ihrer eigenen frühen Kindheit mit einer anderen Frau gemacht haben. Im Normalfall mit ihrer Mutter.

Um eine Fixierung zu vermeiden, die eine Abhängigkeit erzeugen kann, ist die Alleinbetreuung nicht die erstrebenswerte Form der Begleitung.

Die Betreuungsarbeit, die wir eingehen, erfordert sehr viel persönlichen Einsatz und klare Grenzen.

Ärzte, meistens männlichen Geschlechts, widerfährt sehr oft die Rollenzuschreibung des Vaters. Dies ist ebenso mit allen Vorerfahrungen verbunden.

Diese erlebten Eltern-Kind-Beziehungen, die Reproduktion des zwischenmenschlichen Umgangs, läuft weitgehend unbewusst ab.

Wir machen uns nicht ständig Gedanken über unsere Umgehensweise mit den Frauen/Paaren. Das sollten wir aber, denn es gehört zu unserer Aufgabe, Beziehungsmuster zu erkennen und zu leben.

Hat die Hebamme, oder der Arzt/Ärztin selbst die Erfahrung gemacht, dass sie in ihrer eigenen Kindheit nicht in ausreichenden Maße in ihrer Person anerkannt wurde, so wird es Schwierigkeiten mit der Eigenständigkeit der zu betreuenden Frauen geben. Das liegt im System der Sache verankert.

Eines werden wir nicht erreichen, durch allzu viele gute Ratschläge und den Versuch, unsere Ideale den werdenden Müttern/Eltern durch Worte zu vermitteln.

Es wird uns nicht gelingen, dass die Mütter/Eltern ihre Kinder als eigenständige kompetente Wesen akzeptieren, die von Beginn ihres Lebens zwar Unterstützung brauchen, aber eigentlich so ausgestattet sind, dass sie wissen, was gut und richtig für sie ist.

Diese Idee können wir nur durch Vorleben vermitteln. Durch die Gestaltung der Beziehung die wir selbst mit den Frauen/Paaren in unserer täglichen Arbeit eingehen.

Indem wir mit den Frauen/Paaren so umgehen, dass sie spüren, dass wir sie in ihren eigenen Belangen für kompetent erachten. Als Frauen/Paare, die wissen, was gut für sie ist.