Aktuelle Dermatologie 2004; 30(8/09): 339-340
DOI: 10.1055/s-2004-825847
Von den Wurzeln unseres Faches
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Moulagen und Epithesen: Angewandte Kunst in der Medizin

1. Arbeitstreffen der AGDV (Arbeitsgemeinschaft der Geschichte der Dermatologie und Venerologie) am 17. 4. 2004, MünsterMoulages and Epithesis: Applied Art in Medicine1st Meeting of the AGDV (Working Group for the History of Dermatology and Venerology)C.  Löser1 , H.  Ständer2 , S.  Ständer2
  • 1Hautklinik Universitätsklinikum Gießen
  • 2Hautklinik Universitätsklinikum Münster
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Publication Date:
30 August 2004 (online)

Moulagen haben nach wie vor nicht nur eine Bedeutung als faszinierende, medizingeschichtliche Objekte, sondern auch ihren didaktischen Charakter erhalten. Bis heute stellt kein anderes Medium Hautkrankheiten so plastisch dar. Die jüngere Schwester der Moulage ist die Epithese. Damit werden entstellende Haut- und Gewebedefekte verdeckt, die häufig als Folge von Hauterkrankungen oder Traumen entstanden sind.

Die Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Dermatologie und Venerologie e. V. (AGDV) widmete sich in ihrer ersten Arbeitssitzung in Münster am 17. April 2004 diesem faszinierenden Themenkreis (Abb. [1]). Nach einer Begrüßung der zahlreichen Teilnehmer durch den Direktor der Münsteraner Hautklinik, Prof. Thomas Luger, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Prof. Albrecht Scholz aus Dresden, die Bedeutung des Themas für die Medizingeschichte und stellte mit Frau Elsbeth Stoiber aus Zürich den Ehrengast der Veranstaltung vor. Frau Stoiber ist die letzte Moulageurin, die 1953 auch in der Hautklinik Münster einige Moulagen angefertigt hatte. Da sie die Letzte ihrer Zunft ist, hat sie das streng gehütete Geheimrezept der Moulagenherstellung offenbart. Frau Stoiber berichtete als Zeitzeugin über ihr Leben und die bewegende Rolle, welche die Moulagen darin gespielt haben. Von ihrer Ausbildung, einer großen Studienreise nach Indien, und der Weiterentwicklung der Technik der Moulagenherstellung an bildhaften Beispielen war ebenso die Rede wie von nächtlichen Rettungsaktionen zur Entsorgung freigegebener Moulagen mit Hilfe von Freunden und deren Pferdegespannen. Schließlich schlug Frau Stoiber den Bogen zu den Epithesen, die sie anfangs aus Wachs und später aus Kunststoffen für Patienten in der ganzen Schweiz anfertigte. So folgten die Zuhörer gebannt ihrem ergreifenden und spannenden Vortrag über ihre 50-jährige Erfahrung. Prof. M. Hundeiker widmete sich dann in seinem fesselnden Referat der Frühzeit der Epithesen. Beginnend mit Nasen aus Gold für unglückliche Ritter, über Gelatineohren, welche sich die Patienten täglich neu gießen mussten, wurde ein umfassendes Bild der Entwicklung gezeichnet. Mit den heute üblichen modernen Kunststoffepithesen, die durch druckknopfartige Verbindungen am Knochen verankert werden, hat man, so Hundeiker, das Mittelalter der Epithesentechnik verlassen. Dabei erwähnte Hundeiker anekdotisch auch den für Münster offenbar noch heute nicht seltenen Verlust von Ohrmuscheln durch bissige Trunkenbolde. So konnte er den Zuhörern bei einem faszinierenden aber ernsten Thema auch heitere Seiten vermitteln. Ein weiterer Höhepunkt des Vormittags war ein kompetenter Überblick von Prof. A. Scholz über Dokumentationsformen in der Dermatologie, die vom Holzschnitt bis zum Video reichen.

Abb. 1 Die Organisatoren und Redner der AGDV-Tagung am 17. 4. 2004. E. Macher, M. Hundeiker, A. Scholz, E. Stoiber, T. Luger, S. Ständer, H. Ständer (von links nach rechts).

Organisiert wurde die Veranstaltung von Dr. Hartmut Ständer und Dr. Sonja Ständer, die in ihrem Vortrag über den Aufbau und die Pflege der Münsteraner Moulagensammlung berichtete, welche heute 121 Präparate umfasst. An den Moulagen der Pocken oder des Milzbrandes lässt sich zeigen, dass diese Kunstwerke aus Wachs nicht an Relevanz verloren haben, wenn es beispielsweise darum geht, das Aussehen seltener Hauterkankungen auf weißer Haut zu vermitteln. Neben den informativen Vorträgen wurde die Veranstaltung durch eine Besichtigung der Münsteraner Moulagen sowie der historischen Instrumentesammlung der Fachklinik Hornheide unter der sachkundigen Führung durch Prof. Hundeiker (Abb. [2]) abgerundet.

Abb. 2 Besichtigung der Hornheider Museumsvitrinen; im Bild links eine Finsen-Lampe zu erkennen.

In ihrem didaktischen und medizinhistorischen Wert verkannt, wurden im letzten Jahrhundert durch fahrlässiges Desinteresse viele Moulagen zerstört. Engagierte Menschen haben an Orten wie Zürich, Dresden und Münster Sammlungen zusammengetragen, deren Besuch sich lohnt. Dort kann man sich am besten selbst davon überzeugen, welche Ästhetik dieses vernachlässigte Medium ausstrahlt.

Dr. Christoph Löser

Zentrum für Dermatologie und Andrologie

Hautklinik · Universitätsklinikum Gießen · Gaffkystraße 14 · 35385 Gießen

Email: C.Loeser@derma.de