Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2004; 36(1): 26
DOI: 10.1055/s-2004-823128
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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Publication Date:
16 April 2004 (online)

Tamoxifenprävention bleibt umstritten

Nach den vorläufigen Ergebnissen der IBIS-I-Studie (International Breast Cancer Intervention Study) bleibt die prophylaktische Gabe von Tamoxifen bei Patientinnen mit hohem Mammakarzinomsrisiko umstritten. Zwar zeigte sich eine Reduktion der Brustkrebsinzidenz, dafür mussten aber ein erhöhtes Thromboembolierisiko und eine erhöhte Gesamtmortalität in Kauf genommen werden.

An der IBIS-I-Studie (1992-2001) nahmen 7152 Frauen im Alter von 35 bis 70 Jahren aus Europa, Australien und Neuseeland teil (Lancet 2002; 360: 817-824). Alle Frauen hatten ein erhöhtes Mammakarzinomrisiko (familiäre Belastung, lobuläres Carcinoma in situ, atypische Hyperplasie). Die Patientinnen erhielten doppelblind und randomisiert 5 Jahre lang täglich 20 mg Tamoxifen oder Plazebo. Nachuntersuchungen erfolgten alle 6 Monate, Mammographien alle 12-18 Monate und Bluttests nach 1 und 5 Jahren. Das mediane Follow-up betrug 50 Monate.

In der Tamoxifengruppe erkrankten 32 % weniger Frauen an invasiven Karzinomen oder DCIS als in der Vergleichsgruppe (69/3578 vs. 101/3566). Faktoren wie Alter, Hormonersatztherapie, Tumorgröße, Grading, Lymphknotenbefall oder Hormonrezeptorstatus hatten keinen Einfluss auf die Risikominderung. Thromboembolien traten unter Tamoxifen 2,5-mal häufiger auf (43 vs. 17 Frauen) und betrafen zu 42 % operierte und länger immobilisierte Patientinnen.

Erste positive Erfahrungen mit Aromatasehemmern

Für andere zerebro- bzw. kardiovaskuläre Ereignisse wurden keine Gruppenunterschiede registriert. Überraschenderweise traten im Tamoxifenarm signifikant mehr Todesfälle jeglicher Ursache auf als in der Plazebogruppe (25 vs. 11). Ein Zusammenhang mit der erhöhten Rate an Thromboembolien erscheint wahrscheinlich.

Wie erwartet, kam es unter Tamoxifen öfter zu Hitzewallungen und vaginalen Blutungen. Endometriumkarzinome traten etwa doppelt so häufig auf (11 vs. 5, nicht signifikant) und es wurde häufiger hysterektomiert (4,2 vs. 2,7 %).

Kontraindiziert bei hohem Thromboembolierisiko

Die prophylaktische Gabe von Tamoxifen reduziert das Brustkrebsrisiko um ein Drittel, ist aber bei Frauen mit hohem Thromboembolierisiko kontraindiziert. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Tamoxifenprävention bleibt unklar. Inzwischen werden erste positive Erfahrungen mit dem Aromataseinhibitor Anastrozol berichtet. So lag das Rezidivrisiko bei hormonpositiven Tumoren um ca. 25 % niedriger als unter Tamoxifen. Außerdem traten keine thromboembolischen Komplikationen auf. Die medikamentöse Prävention des Mammakarzinoms bleibt (vorläufig) eine viel versprechende Idee mit unsicherer Zukunft - so das Fazit der Kommentatoren L. S. Kinsinger und R.Harris von der Universität North Carolina in Chapel Hill (Lancet 2002; 360: 813-814). Tamoxifen ist aufgrund seines unzureichenden Sicherheitsprofils für die Prävention nicht geeignet. Gefordert werden Substanzen mit sicherem Wirkprofil. Außerdem muss klar definiert sein, welche Patientinnen davon profitieren.

Renate Ronge, Münster