Pneumologie 2004; 58(4): 289-290
DOI: 10.1055/s-2004-818415
Laudatio
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Professor Dr. Joachim Schauer zur Vollendung seines 65. Lebensjahres

Professor Dr. Joachim Schauer for his 65. BirthdayN.  Konietzko
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 April 2004 (online)

Joachim Schauer wurde am 25. April 1939 in Magdeburg geboren, wenige Minuten vor seinem Zwillingsbruder Klaus, der später ebenfalls Arzt werden sollte. Noch herrschte Friede in der Welt, doch der Krieg legte bereits seine Schatten auf das Land. Als ein knappes halbes Jahr später der Zweite Weltkrieg losbrach, hatte Magdeburg schwer unter den Kriegseinwirkungen zu leiden. Die Eltern beschlossen daher, in das ruhigere, scheinbar weniger bedrohte Delitzsch, unweit Leipzig, zu ziehen. Dort wuchs Joachim auf.

Delitzsch scheint für die Lungenheilkunde ein besonders günstiges Pflaster zu sein, denn an gleicher Stelle lebte auch Dieter Nolte, der später - wie unser Jubilar - eine der herausragenden Gestalten in der deutschen Pneumologie werden sollte. Beide besuchten die „Ehrenberg-Oberschule” und beide legten dort auch das Abitur ab, Joachim Schauer im Jahre 1957, Dieter Nolte einige Jahre davor.

Entgegen der Familientradition - Joachims Vater und der Großvater mütterlicherseits waren Kaufleute und Schokoladenfabrikanten - entschloss sich der frischgebackene Abiturient, Arzt zu werden. Er immatrikulierte zum Studium der Medizin im Jahre 1957 - im gleichen Alter und am gleichen Ort wie 200 Jahre zuvor Johann Wolfgang von Goethe, nämlich an der altehrwürdigen Universität zu Leipzig. Zielstrebig, wie nicht anders zu erwarten, komplettierte Joachim Schauer das Medizinstudium in der „Regelstudienzeit” und legte knapp sechs Jahre später, 1963, das Medizinische Staatsexamen ab. Im gleichen Jahre erfolgte die Promotion. Der Titel seiner Dissertationsarbeit lautete: „Umgebungsuntersuchungen bei sporadischem Auftreten von Hepatitis infectiosa”.

Gerade mal 24 Jahre alt war er nun, der Doktor der Medizin, als seine eigentliche berufliche Karriere begann. Folgerichtig ging es weiter, konsequent erklomm der strebsame Mediziner Stufe um Stufe der Leiter - nach oben, natürlich: 1965 wurde er Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik der Universität Leipzig unter Leitung von Professor Emmrich, durchlief alle Stationen der internistischen Weiterbildung und erhielt 1970 den Facharzt für Innere Medizin. Nach der Ausbildung am Krankenbett ging es ohne Zäsur in die klinische Forschung, ins Labor und an die Habilitation. Das wissenschaftliche Interesse von Joachim Schauer, ja seine Leidenschaft, galt und gilt dem „kleinen” Kreislauf - der Wissende nennt ihn den eigentlich „großen” - und dem Herzen. Die gemeinsame Betrachtung von Lunge und Herz, die Interaktionen zwischen den beiden so ungleichen Organen, wurde zu seinem Thema. Zahlreiche Publikationen entstanden in dieser Zeit, insgesamt umfasst das wissenschaftliche Oeuvre von Joachim Schauer mehr als 170 Veröffentlichungen. Mehr als 50 Doktoranden und Diplomanden betreute Joachim Schauer in diesen Jahren.

Sechs Jahre später, im Jahre 1976 habilitierte sich Joachim Schauer an „seiner” Fakultät in Leipzig. Der Titel der Habilitationsschrift - „Promotion B” hieß es damals in der DDR - lautete: „Diagnostik der gestörten kardiopulmonalen Funktion bei der ischämischen Herzerkrankung”. Anfang 1977 wurde ihm die „Facultas docendi” verliehen, ein Jahr später die Hochschuldozentur für Innere Medizin. Im gleichen Jahr wurde er zum Oberarzt der „Klinik für Innere Medizin” ernannt.

Das Interesse von Joachim Schauer an der Pneumologie ist kein zufälliges. Aus einer kardiologischen Schule stammend, hatte er schon bald erkannt, dass zum Verständnis der Pathophysiologie, aber auch beim praktischen Vorgehen am Krankenbett, in der Diagnostik und in der Therapie der pulmonalen Hypertonie und des Cor pulmonale beide Disziplinen, die Kardiologie und die Pneumologie, gleichermaßen gefragt sind. Er blieb nicht, vergleichbar einem peripheren Thrombus, der mehr oder minder zufällig in die Pulmonalarterienstrombahn gelangt, im „kleinen” Kreislauf stecken. Er baute vielmehr systematisch und konsequent das unter seiner Leitung stehende Kreislauflabor in einen kardiopulmonalen Funktionsbereich aus und kümmerte sich um die pneumologische Klientel des Leipziger Klinikums. Die Ergebnisse seiner Arbeit beeindruckten die Fachwelt, nicht nur die vorwiegend außeruniversitär in den Zentral- und Fachkliniken organisierten „Pulmologen” der DDR, sonder auch seine Fakultät. So bleib es nicht aus, dass er 1983 zum Leiter der neugeschaffenen „Abteilung Pulmologie” ernannt wurde. Die Abteilung prosperierte, die Aufgaben wuchsen. 1993 wurde Joachim Schauer zum Professor für Innere Medizin, Spezialgebiet Pneumologie, gemäß dem Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetz berufen - einige der wenigen C4-Professoren im wiedervereinigten Deutschland.

In den Jahren nach der Wende wurde Joachim Schauer kraft seiner politischen Integrität, seiner Fähigkeit zu Gemeingefühl und Konsens, seinem zupackenden Pragmatismus und seiner allseitig anerkannten fachlichen Kompetenz zu einer der zentralen Persönlichkeiten der Leipziger Universität.

Nachdem er bereits seit 1987 als 1. Stellvertreter des Klinikdirektors die Geschicke der Klinik für Innere Medizin mitgestaltet hatte, wurde er 1990 zum Direktor berufen. Im gleichen Jahr wurde er in den Rat der Medizinischen Fakultät und zum Prodekan gewählt. Seit 1993 ist er Direktor der Medizinischen Klinik 1 innerhalb des Zentrums für Innere Medizin. Die ehrenamtliche Funktion als Ärztlicher Direktor übernahm er 1995, in einer Zeit, die von grundsätzlichen Entscheidungen geprägt war. Besonders engagiert hat sich Joachim Schauer bei der Sicherung der Aufgaben des Universitätsklinikums Leipzig als Krankenhaus der Maximalversorgung und beim rationellen Einsatz der verfügbaren Mittel. Sein Hauptaugenmerk gilt immer dem Wohl der Patienten - unter den zeitweise herrschenden räumlichen und baulichen Gegebenheiten eine Sisyphusarbeit.

Dabei vernachlässigte er seine Abteilung keineswegs. Er förderte die Ausbildung junger Nachwuchswissenschaftler, nach 1989 auch im Ausland, und es gelang ihm in kurzer Zeit, eine Schar begabter klinischer Forscher um sich zu scharen. In der Person von Professor Dr. Hubert Wirtz konnte ein überragender Hochschullehrer auf dem Feld der Pneumologie gewonnen werden, der Joachim Schauer nicht nur in der Klinik entlastet und ihn als Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I vertritt, sondern auch die Forschung in der Abteilung vorantreibt. Dass die Pneumologie an der Universität Leipzig geschaffen wurde und als Leuchtturm unseres Faches auch zukünftig erhalten bleibt, selbst wenn die zeitweilige Aussetzung der C4-Professur ein kleiner Wermutstropfen für unseren Jubilar bedeutet, ist und bleibt sein Verdienst. Dafür dankt ihm die pneumologische Gemeinschaft.

Bewundernd stellt man fest, dass Joachim Schauer trotz aller seiner Verpflichtungen an seiner Alma mater immer noch Zeit fand und findet für vielfältige berufspolitische Aktivitäten: Beim Landesberufsverband der Pneumologen Sachsens und bei der Mitteldeutschen Gesellschaft für Pneumologie, die er mitbegründete, als Mitglied der Gesellschaft für Fortschritte auf dem Gebiet der Inneren Medizin und als Ausschussmitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Innere Medizin Sachsens.

Für uns, die deutschen Pneumologen, verbindet sich mit dem Namen Joachim Schauer das Erlebnis des 39. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in Leipzig im März 1998. Es war ein glanzvoller Kongress, erstmals im Osten unserer Republik veranstaltet und erstmals unter voller Einbeziehung der neu strukturierten wissenschaftlichen Sektionen durchgeführt. Die Tagung in Leipzig war perfekt organisiert, eingebettet in eine kühle ästhetische Architektur und eine warme menschliche Atmosphäre. Ihr Tagungspräsident, Joachim Schauer, hat damals Maßstäbe gesetzt.

Und jetzt, nachdem das Klettern auf der Leiter ein Ende hat, der Gipfel erreicht ist? Wie geht es weiter im neuen Lebensabschnitt?

Eine Reihe von Funktionen in verschiedenen Gremien, Verbänden und Gesellschaften harren auf den rüstigen Mitsechziger, man braucht den Jubilar noch eine ganze Weile, seine Tatkraft, seinen Optimismus und seinen klugen Rat. Auch die deutschen Pneumologen.

Die Familie mit den beiden Kindern Christof und Ulrike und den drei Enkelkindern warten sehnlich auf den Zeitpunkt der Emeritierung. Ehefrau Christel Schauer freut sich schon auf mehr gemeinsame Zeit und auf Reisen, auch mal längere Reisen. Für die große Leidenschaft Musik, für Richard Wagner insbesondere, den Wagnerverein und Bayreuth, gibt es endlich mehr Muße - und fürs Lesen.

Die deutsche Pneumologie dankt Joachim Schauer für seine Lebensleistung. Wir Pneumologen wünschen ihm für die vor ihm liegende Zeit Gesundheit, Freude und Schaffenskraft.

Prof. em. Dr. med. Nikolaus Konietzko

Arzt für Innere Medizin - Pneumologie - Allergologie

Spillheide 78

45239 Essen

Email: nikolaus.konietzko@t-online.de

    >