PPH 2004; 10(6): 301
DOI: 10.1055/s-2004-813847
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Alles Service oder was?

Ph. Seidenstricker
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. Dezember 2004 (online)

Vor einigen Jahren holte der Landkreis Miesbach die Deutsche Lufthansa, um Pflegepersonal in seinen Häusern in „Richtung Kundenorientierung” zu schulen. Auf dem diesjährigen Münchner Pflegekongress gab es ein Angebot der Deutschen Bahn AG mit einem Workshop zum Thema „Servicekompetenz im Gesundheitswesen”. In der Ankündigung hieß es u. a.: „Pflege & Service - wie passt das zusammen? - Wie Ihnen die Trainingssystematik von ServTrain® bei der Umsetzung hilft. - Wie Sie Ihren Mitarbeitern Ihre Pflege- & Servicephilosophie vermitteln. - Stellen Sie sich Ihr persönliches Servicetraining aus dem Bausteinsystem von ServTrain® zusammen.” (Die Frage nach dem Schulungserfolg bei der Deutschen Bahn sei hier nicht gestellt.)

Kundenorientierung, Marketingstrategien, Servicequalität, Servicekompetenz, Ausbau von Wahlleistungsangeboten und -stationen, Abgabe von sog. pflegefremden Tätigkeiten an andere Berufsgruppen, u. a. auch Servicekräfte, Personalreduzierung, Ende der berufsbezogenen Aufgabendefinition, Übernahme von (bisher abgelehnten) ärztlichen Tätigkeiten ... - nicht nur während des Münchner Pflegekongresses waren dies Themen. Viele praktisch Pflegende, im Management oder in der Aus-, Fort- und Weiterbildung Tätige werden mittlerweile in ihrem beruflichen Alltag damit konfrontiert.

Das neue Fallpauschalensystem und so manche Altlast, die nicht länger von den Kommunen, Bezirken, Ländern etc. gedeckt werden kann, machen dem Unternehmen Krankenhaus zu schaffen. Der Konkurrenzdruck wächst, vor allem durch Häuser in privater Trägerschaft, denen es gelingt, gewinnbringend zu wirtschaften. Und obwohl die Psychiatrie (bisher) noch keine Fallpauschalenabrechnung erfährt, ist sie doch gleichermaßen von solchen Entwicklungen betroffen.

Ohne Zweifel ist aus ökonomischen Gründen ein Umdenken und Gegensteuern erforderlich. Und unsere Berufsgruppe tut sich auch keinen Gefallen, wenn sie aus einem Besitzstandsdenken heraus auf Althergebrachtem beharrt, sich Neuerungen verschließt und eine kritische Überprüfung der beruflichen Tätigkeiten unterlässt.

Nicht vernachlässigt werden darf aber bei dem ganzen „Service-Trend”, dass ein Servicebewusstsein allein noch keine gute Pflege ausmacht, die als Berufsgruppe in den anstehenden Verteilungskämpfen im Gesundheitsbereich laut Prof. Manfred Haubrock von der Fachhochschule Osnabrück „nur dann eine gute Ausgangsposition hat, wenn sie in der Lage ist, sich als Marke so zu positionieren, dass sie eindeutig identifiziert werden kann”.

Diese Positionierung kann sicher nur über eine hohe pflegerische Fachlichkeit erfolgen, die eben nicht nur serviceerwartenden Kunden, sondern pflegebedürftigen Patienten zugute kommen soll.

Immer mehr medizinische Leistungen werden künftig ambulant erfolgen, einen 4-Sterne-Komfort gibt es vielleicht dann bald im Pflegehotel, das neben jedem Ambulanzzentrum zur Verfügung steht. Für die Menschen aber, die dann trotzdem ins Krankenhaus müssen, geht es entweder um eine aufwändige und komplizierte Behandlung und/oder um eine entsprechende Pflege. Diese muss gekennzeichnet sein durch berufliche Kompetenz, Zuwendung, Beistand und Mitmenschlichkeit. Letztlich geht es wohl auch um eine Abwägung von ethischen und ökonomischen Ansprüchen. Dass diese Abwägung gut gelingen möge, wünsche ich mir für Pflegende und Patienten/Klienten/Kunden.