Klin Monbl Augenheilkd 2004; 221(6): 513-514
DOI: 10.1055/s-2004-813287
Leserbrief

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Kommentar zu Langmann et al.

Comments on the Paper by Langmann et al.J. Draeger1
  • 1Univ.-Klinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Hamburg
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Publication Date:
21 September 2005 (online)

Langmann/Lindner/Zuk: „Medizinische Aspekte der Schieloperation als tageschirurgischer Eingriff - Ein Beitrag zum Qualitätsmanagement” und zum Editorial von Herrn Kaufmann (Klinische Monatsbl Augenheilk 2004; 221 [3]: 191 - 196)

Sicher ist es sehr wichtig, dass sich die Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde anhand der gründlichen, gut belegten Studie der Grazer Autoren Langmann/Lindner/Zuk und des eingehenden Kommentars von Herrn Kaufmann, Gießen, gründlich mit diesem Thema befassen.

Es ist sehr richtig, das diese Frage u. a. vor allem auch durch finanzielle Aspekte der Vornahme derartiger Eingriffe als tageschirurgische Maßnahme im Vergleich zur stationären Abwicklung jetzt in unserem Gesundheitssystem wieder besonders aktuell wird.

Auslösend für die Diskussion um dieses Thema, seiner Einführung in die Augenchirurgie, war aber zunächst etwas ganz anderes: Anfang der 70er-Jahre sprang ein fast 90-jähriger Patient in der Nacht nach einer komplikationslosen Kataraktextraktion in völliger Verwirrung durch die Scheibe des geschlossenen Fensters seines Krankenzimmers nachts aus dem 2. Stock und stürzte auf den Hof. Dies veranlasste mich selbst zu der Überlegung, wie weit Derartiges vermeidbar wäre, ob ein an sich problemloser Eingriff wie die Kataraktextraktion (schon damals mit Linsenimplantation) überhaupt stationär vorgenommen werden müsse. Daraufhin eingeleitete Gespräche mit der Bremischen Ärztekammer, dem Gesundheitssenator, dem Finanzsenator und den zuständigen Krankenkassenverbänden führten dann sehr rasch zum Abschluss eines Kostentarifvertrags, der eine enorme Kostensenkung für die Kassen (damalige Verweildauer stationär ca. 13 Tage!!), für das ausführende Krankenhaus aber immer noch einen beträchtlichen Gewinnzuwachs im Vergleich zu den tatsächlich noch entstehenden Kosten bedeutete!

Obwohl ich dies in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit - wohlwissend um die Brisanz eines solchen Themas zur damaligen Zeit - zunächst überhaupt nicht erwähnt habe, Hunderte von Fällen alsbald problemlos, mit mindestens gleicher Erfolgsquote wie bei stationärer Behandlung operiert wurden, kam es dann doch zur Diskussion, bei der ich von verschiedenen Seiten aufs Heftigste angegriffen wurde, da ich ja die Existenz der ophthalmologischen Kliniken (damals mit Bettenbeständen von um die 140) aufs Äußerste gefährden würde. Ich hatte dies im Prinzip vorausgesehen, hielt mich entsprechend vorsichtig zurück, wurde dann aber doch zu einem Round-Table vor dem Plenum der damaligen „Wiesbadener Fortbildung” im Kurhaus geladen. Dabei ging es dann schon auch um die ethische Zulässigkeit der inzwischen natürlich ebenfalls sofort aufgenommenen Vornahme von Schieloperationen als tageschirurgischer Eingriff: Hier war der Hauptvorwurf, wie könne man ein Kind einem solchen lebensgefährlichen Risiko einer Operation in Vollnarkose bei anschließender Entlassung am gleichen Tag aussetzen?!

Vor tausend sichtlich gespannten Zuhörern entwickelte sich dann eine sehr verblüffende Diskussion gerade zu diesem Punkt. Sicherheitshalber hatte ich den Chef der sehr großen Anästhesieabteilung des Klinikums, Herrn Kollegen Henschel, zu diesem Round-Table mitgenommen, ließ ihn die erste, aus Gießen kommende Frage beantworten: „Ich verstehe Ihre Bedenken, Ihre Frage sehr gut, Frau Kollegin, aber sagen Sie mir doch bitte, aus welchem Klinikum Sie kommen,” fragte Herr Henschel die erste Rednerin. Auf ihre Antwort sagte er dann nur: „Ich teile Ihre Bedenken voll und ganz, Sie sollten dies dort auf keinen Fall machen!” Das donnernde Gelächter dauerte minutenlang - die Diskussion zu diesem Thema war fast beendet! Ganz ähnlich verlief es dann mit der Erörterung der Katarakt, die damals natürlich schon - jedenfalls in meiner Klinik - zum größten Teil in lokaler Anästhesie durchgeführt wurde - (was Anfang, Mitte der 70er-Jahre noch keineswegs üblich war). Dies war also der fachlich klinische, organisatorische und finanzielle Einstieg in dieses Thema vor gut 30 Jahren. Von Stund an hatte ich eine Fülle von Gästen aus den USA, Großbritannien, Japan etc. in meiner Klinik, die speziell diesen Aspekt studieren, lernen wollten. Kurz darauf wurde dann in den USA auch ein spezieller Fachverband für Outpatient Surgery gegründet, ausgehend von Schwerpunkten in Florida setzte sich diese Technik dann in den USA, in Großbritannien, in Japan, aber natürlich auch in Russland (Fjodorow) durch und war bald allgemeiner Standard.

Dass ein solcher grundlegender Wandel der Patientenvorbereitung, Behandlung und Nachsorge von den behandelnden Chirurgen, vom Krankenhausträger, aber natürlich auch von den Kostenträgern eine völlige Umstellung erfordert, ergab sich schon damals sehr rasch, hat aber aus meiner Sicht niemals zur Infragestellung dieser prinzipiell eben vor allem für den Patienten sehr viel erträglicheren Art der Vornahme unserer Eingriffe am Auge geführt.

Prof. Dr. J. Draeger

Univ.-Klinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde

Martinistr. 52

20246 Hamburg