Gesundheitswesen 2004; 66(4): 222-231
DOI: 10.1055/s-2004-812811
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anforderungen und Nutzen eines kassenorientierten Krankenhausmanagements aus der Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung - Ergebnisse einer qualitativen Studie

Demands on and Benefit from Insurance-orientated Hospital Management - Findings from Qualitative Interviews with Executive Members of Statutory Health InsurancesH. Hansen1 , J. Lütticke1 , H. Pfaff1
  • 1Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene der Universität zu Köln, Abteilung Medizinische Soziologie
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Publication Date:
21 April 2004 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Ausgehend von der wachsenden Bedeutung der Krankenkassen als Anspruchsgruppe („Stakeholder”) des Krankenhauses steht die Frage nach den Anforderungen und dem Nutzen eines kassenorientierten Krankenhausmanagements im Mittelpunkt dieses Artikels. Methode: Die methodische Herangehensweise nimmt die Perspektive des Stakeholders Krankenkassen zum Ausgangspunkt: Mit 14 leitenden MitarbeiterInnen verschiedener gesetzlicher Krankenversicherungen wurden offene Leitfadeninterviews geführt und in Anlehnung an die von Mayring ausgearbeitete Technik der „zusammenfassenden Inhaltsanalyse” ausgewertet. Ergebnisse: Nach Einschätzung der befragten Kassenakteure bestehen im Rahmen des hoch regulierten Verhältnisses zwischen Krankenkasse und Krankenhaus Spielräume für eine aktive Gestaltung der Austauschbeziehungen. Es werden fünf Anforderungsbereiche - Leistungserbringung, Leistungsentwicklung, Fallführung, Umgang mit strittigen Fällen/Prüfungen und Budgetverhandlungen - unterschieden, welche für die Anspruchsgruppe Krankenkassen von grundlegender Bedeutung sind. Auf der Basis des Interviewmaterials werden für jeden dieser Bereiche zentrale Anforderungsdimensionen identifiziert. Der unternehmerische Nutzen, den ein Krankenhaus durch die Berücksichtigung von Kassenanforderungen erzielen kann, wird von der Mehrzahl der InterviewpartnerInnen positiv beurteilt. Konkrete Nutzenaspekte werden vorgestellt. Schlussfolgerungen: Der Artikel stellt kassenspezifische Anforderungen vor und zeigt Handlungsansätze für das Krankenhausmanagement auf. Das einzelne Krankenhaus ist gefordert, den Nutzen einer kassennahen Gestaltung der Austauschbeziehungen vor dem Hintergrund unternehmensspezifischer Strategien und Ziele abzuwägen.

Abstract

Purpose: Starting from the fact that statutory health insurance bodies are increasingly important hospital stakeholders, the article focusses on the question of demands on and benefit from an insurance-orientated hospital management. Method: A methodological approach is chosen which takes the views of the stakeholder health insurance as a starting point: Semi-structured interviews were conducted with 14 executives of different statutory health insurances. Data analysis was based on the “zusammenfassende Inhaltsanalyse” (literal translation: summarizing content analysis), developed by Mayring. Results: From the participants’ points of view the highly regulated relationship between hospitals and insurances offers opportunities for active development. The analysis of expectance distinguishes between five areas of demand: “Hospital services”, “service development”, “case management”, “management of conflicts/reviews” and “budget negotiations”. Within these areas dimensions of demand are differentiated. Most participants feel that an insurance-oriented hospital management is beneficial to the hospital. Conclusion: A number of specific demands is identified on which management activities can be based. Hospitals need to consider carefully the benefit of insurance-orientation and suitable measures in the light of hospital-specific aims and strategies.

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1 Aufgrund struktureller Unterschiede in den Beziehungen zwischen Versicherern und Krankenhäusern innerhalb verschiedener Gesundheitssysteme konzentriert sich der vorliegende Text auf die bundesdeutsche Situation. Insbesondere in den USA haben Versicherungsgesellschaften wachsenden Einfluss auf die Gesundheitspolitik und die Steuerung der Nachfrage von Krankenhausleistungen. Versicherer sind zu einer wichtigen Zielgruppe des Krankenhausmanagements und -marketings avanciert.

2 BMBF-Förderungsnummer: 01HW0112

4 Eine nachvollziehbare Beschreibung des Forschungsprozesses ist ein Qualitätskriterium qualitativer Arbeiten. Im Rahmen dieser Veröffentlichung ist eine kompakte Darstellung unvermeidlich. Weitere Informationen zur Auswahl der Befragten, zur Kontaktaufnahme, zum Leitfaden, zu den Transkriptionsregeln sowie zu den einzelnen Arbeitsschritten der Datenanalyse finden sich in einem Materialband (Forschungsbericht 7-2003), welcher über die Korrespondenzanschrift angefordert werden kann.

5 Die in den Interviewausschnitten benutzten Abkürzungen und Zeichen sind folgendermaßen zu lesen: B, Ba, Bb = Befragte; I = Interviewerin; (...?) = unverständliche Äußerung;/= Satzabbruch; ((betont)) = Betonung des nachfolgenden Wortes; ...= Pause; [...] = Auslassung durch AutorInnen; [Wort, Satzteil] = Ergänzung durch AutorInnen, Befragte.

Hilke Hansen

Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene der Universität zu Köln, Abteilung Medizinische Soziologie

Joseph-Stelzmann-Str. 9

50931 Köln

Email: hilke.hansen@gmx.de

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