Rofo 2003; 175 - 14
DOI: 10.1055/s-2003-819915

Metabolismus des Skelett- und Herzmuskels bei Patienten mit myotoner Dystrophie Typ 1 versus Typ 2 (PROMM): Analyse mittels quantitativer MR-Spektroskopie

M Beer 1, C Schneider-Gold 2, H Köstler 1, J Sandstede 1, KV Toyka 2, D Hahn 1
  • 1Institut für Röntgendiagnostik der Universität Würzburg, Würzburg
  • 2Neurologische Klinik der Universität Würzburg, Würzburg

Ziel: Bei der Gruppe der neurogenen Myopathien gibt es nicht nur große Unterschiede bezüglich des Schweregrades der Erkrankung des Skelettmuskels, sondern auch bezüglich des Krankheitslokalisation. Wesentlicher für die allgemeine Prognose des Patienten ist aber die sehr unterschiedlich starke Ausprägung einer Begleitkardiomyopathie [1–3]. Keine der bislang für die Abklärung der Kardiomyopathien eingesetzten Methoden wie EKG, Echokardiographie oder MRT konnten jedoch diese Unterschiede befriedigend erklären [4]. Als zwei Endpunkte dieses Krankheitsspektrum kann man die Myotone Dystrophie, abgekürzt DM1 sowie die proximal betonte myopathische Myopathie, abgekürzt DM2/PROMM, betrachten [5]. Ziel war die Erfassung metabolischer Veränderungen am Skelett- wie Herzmuskel von Patienten mit DM1 versus 2 mittels quantitativer MR-Spektroskopie (MRS) und der Cine-MRT.

Methoden und Material: An einem 1,5 T Magnetom VISION wurden 31P-Spektren der Wadenmuskulatur sowie aus dem linksventrikulären (LV) Myokard mittels der 3D-chemical shift imaging-Technik akquiriert. Die Quantifizierung (mmol/kg Nassgewicht) erfolgte mittels SLOOP. Die kardiale Funktionsanalyse erfolgte mit der Cine-MRT. Bislang wurden 4 Patienten mit DM1 und 11 Patienten mit DM2 untersucht. Keiner der Patienten hatte eine auffällige kardiologische Anamnese. Zusätzlich erfolgte eine klinische Beurteilung der Erkrankungsschwere des Skelettmuskels anhand der MRC-Skala. 10 gesunde Probanden dienten als Vergleichsgruppe.

Ergebnisse: Skelettmuskel: Die Gesamtgruppe der Patienten mit DM1 zeigten eine Reduktion der Metabolite auf 21.0±10.9 für PCr, 5.2±2.6 für ATP und 5.2±1.1 für Pi im Vergleich zum Normalkollektiv (PCr und ATP 29.9±3.4 bzw. 7.5±1.6, anorganisches Phosphat (Pi) 4.1±0.6 (p jeweils<0.05). Für Patienten mit DM2 ergab sich nur für die Untergruppe mit klinisch progredienter Erkrankung signifikante Reduzierungen. Myokard: Nur bei Patienten mit DM2 waren sowohl die PCr und ATP-Konzentrationen im Herzmuskel signifikant reduziert (7.1±2.9; 4.5±1.1) sowie die LV Masse und die LV Volumina erhöht. Die nachgewiesenen signifikanten Reduzierungen der energiereichen Phosphate im Skelettmuskel bei DM1, sowie ein Anstieg der Konzentration des anorganischen Phosphats hier entsprechen der ausgeprägten Erkrankung des Skelettmuskels [6,7]. Die Metabolite des Herzmuskels zeigten nur eine Tendenz zur Abnahme. Allerdings war die untersuchte Gruppe der Patienten klein, Nach Untersuchungen einer größeren Anzahl von Patienten mit DM1 könnten sich durchaus signifikante Änderungen zeigen. Entsprechend der weniger ausgeprägten Symptomatik der Skelettmuskelerkrankung bei DM2, konnten in der Gesamtgruppe nur Tendenzen zur Abnahme der energiereichen Phosphate nachgewiesen werden. Aus Gründen der Vergleichbarkeit mit DM1 Patienten wurden die Untersuchungen distal durchgeführt. Trotzdem konnten auch hier signifikante Abnahmen bei den Patienten, die entsprechend klinischen Parametern wie Kraftgrad, schwerer betroffen beobachtet werden. Die Veränderungen des Stoffwechsels des Herzens war dagegen überraschenderweise deutlich schwerer bei DM2 als bei DM1. Dies passt zu der bislang ungeklärt hohen kardiovaskulären Morbidität und Mortalität bei DM2. Insgesamt korrelierten die Veränderungen im Skelettmuskel mit denen des Herzmuskels, d.h. Patienten mit schwerwiegenden Veränderungen des Energiemetabolismus in der Peripherie hatten auch die ausgeprägtesten myokardialen Veränderungen.

Schlussfolgerungen: MR-Spektroskopie und MR-Tomographie erlauben die frühe Erfassung kardialer Veränderungen bei Patienten mit Myopathien. In Übereinstimmung zum klinisch milderen Befall der Skelettmuskulatur bei DM2 („PROMM“) im Vergleich zu DM1 sind die mittels MRS erfassten metabolischen Veränderungen ebenfalls geringer ausgeprägt. Die kombinierte MRS-Analyse hat nicht nur den Vorteil einer Gesamtuntersuchungszeit von ca. 60 Minuten, sondern könnte das bisher eingesetzte Arsenal von verschiedenen Methoden, welche bislang bei Patienten mit DM1 oder DM2 eingesetzt werden, letztlich aber keine überzeugende Erklärung liefern, ersetzen. Weitere Untersuchung sollten die Zusammenhänge zwischen genetischen Studien, die eine höhere Variabilität der Mutationen bei DM2 zeigten, und den Veränderungen im Stoffwechsel untersuchen [8,9].

Literatur: 1) Ambroggi LD, Raisaro A, Marchiano V, Radice S, Meola G. Cardiac involvement in patients with myotonic dystrophy: charcteristic features of magnetic resonsnce imaging. EurHeart J 1995;16:1007–1010. 2) Perloff JK, Stevenson WG, Roberts NK, Cabeen W, Weiss J. Cardiac involvement in myotonic muscular dystrophy (Steinert's disease): a prospective study of 25 patients. Am J Cardiol 1984;54:1074–1081. 3) Stöllberger C, Finsterer J, Keller H, Mamoli B, Slany J. Progression of cardiac involvement in patients with myotonic dystrophy, Becker's Muscular Dystrophy and Mitochondrial Myopahty during a 2-year follow-up. Cardiology 1998;90:173–179. 4) Perloff JK, Henze E, Schelbert HR. Alterations in regional myocardial metabolism, perfusion and wall motion in Duchenne muscular dystrophy studied by radionuclide imaging. Circulation 1984:69:33–42. 5) Meola G, Sansone V, Marinou K, Cotelli M, Moxley RT, Thornton CA, De Ambroggi L. Proximal myotonic myopathy: a syndrome with a favourable prognosis? J Neurol Sei 2002; 193:89–96. 6) Barnes PR, Kemp GJ, Taylor DJ, and Radda GK. Skeletal muscle metabolism in myotonic dystrophy. A 31P magnetic resonance spectroscopy study. Brain 1997; 120(Pt 10): 1699–1711. 7) Tarnopolsky MA and Parise G. Direct measurement of high-energy phosphate compounds in patients with neuromuscular disease. Muscle Nerve 1999; 22(9): 1228–1233. 8) Brook JD, McCurrach ME, Harley HG, et al. Molecular basis of myotonic dystrophy: expansion of a trinucleotide (CTG) repeat at the 3' end of a transcript enconding a protein kinase family member. Cell 1992;68:799–808. 9) Liquori CL, Ricker K, Moseley ML, Jacobson JF, Kress W, Naylor SL, Day JW, Ranum LP. Myotonic dystrophy type 2 is caused by a CCTG repeat expansion in intron 1 ofZNF9. Science 2001;239:864–867.