Rofo 2003; 175 - 12
DOI: 10.1055/s-2003-819913

Magnetresonanztomographie in Differenzialdiagnose, Therapieplanung und Therapiekontrolle bei Patienten mit Verdacht auf hypertrophische Kardiomyopathie

FH Gietzen 1, S Fröhner 2, J Brunn 1, J Schümmelfeder 1, F von Hoch 1, G Christopoulos 2, G Coblenz 2, B Schumacher 1, R Schmitt 2, S Kerber 1
  • 1Fachbereich Kardiologie der Herz- und Gefäß-Klinik Bad Neustadt a. d. Saale, Bad Neustadt a. d. Saale
  • 2Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der Herz- und Gefäß-Klinik Bad Neustadt a. d. Saale, Bad Neustadt a. d. Saale

Im Gegensatz zu einzelnen Literaturangaben sind die hypertrophischen Kardiomyopathien (HCM) keineswegs selten. Übereinstimmend wird von verschiedenen Arbeitsgruppen angenommen, dass die in den USA dokumentierte Prävalenz von 19,7 Fällen sowie die jährliche Neuerkrankungsrate von 4 Fällen pro 100000 Einwohnern die tatsächlichen Zahlen bedeutsam unterschätzt. Für plötzlich verstorbene Pat. ist die HCM die zweithäufigste und für plötzlich verstorbene sportlich aktive unter 40-Jährige die häufigste Grunderkrankung. Risikoindikatoren eines plötzlichen Todes basieren auf der Heterogenität des Phänotyps. Obstruktive Form (HOCM), schwere Hypertrophie, Manifestationsalter <35 Jahren, NYHA-Stadium > III, Synkopen, nicht anhaltende VT, Z.n. Reanimation und plötzliche Todesfälle in der Familie gelten als Risikofaktoren. Aus diagnostischen und therapeutischen Gründen empfiehlt es sich, die HCM in obstruktive (HOCM) und nicht obstruktive (HNCM) Formen zu unterteilen. Dabei ist die Lokalisation des verdickten Myokards sehr verschieden. Es findet sich bei HOCM basisnah mit dominierender Beteiligung des Septums und bei HNCM bevorzugt apikal. Innerhalb beider Formen besteht eine ausgeprägte Variabilität von Hypertrophiegrad und Hypertrophieverteilungsmuster. Leitbefunde sind bei HOCM ein abnormes EKG mit einem Systolikum (abnorme Lautstärkenzunahme bei Valsalva und / oder nach Belastung) bzw. bei HNCM ein abnormes EKG mit tief terminal negativen T-Wellen. Diagnostisch wegweisend ist die Echokardiographie. In der Beantwortung spezieller Fragen wird sie ergänzt durch invasive und neue bildgebende Verfahren. Der echokardiographisch nicht immer optimal darstellbare, bei HNCM diagnostisch wichtige apikale Bereich macht eine klassische Laevokardiographie (30° RAO und 90° LAO) oder eine Magnetresonanztomographie (Kardio-MRT) erforderlich. Bei HOCM erleichtert das Kardio-MRT die exakte Quantifizierung der Ausflusstraktfläche und der septalen Hypertrophieverteilung. Insbesondere bei konzentrischen Wandverdickungen und / oder leichtgradiger Einschränkung der globalen systolischen Funktion des linken Ventrikels ist myokardbioptisch eine Speicherkrankheit auszuschließen. Diese findet sich bei ca. 10% der Pat., bei denen nach der bildgebenden Diagnostik der Verd. auf eine HNCM gestellt werden musste. Eine seltene Differenzialdiagnose der myokardialen Speicherkrankheit ist das angeborene „non compaction“ des linksventrikulären Myokards, das ebenfalls mit einer vermehrten Trabekularisierung und einer globalen Kontraktionsstörung einhergeht. In Planung und Erfolgskontrolle interventioneller Therapieverfahren stellt das Kardio-MRT eine wertvolle Ergänzung der echokardiographischen Bildgebung dar. Für unter medikamentöser Behandlung weiterhin deutlich symptomatische Pat. mit HOCM hat sich seit 1995 die transkoronare Ablation der Septumhypertrophie (TASH) neben der operativen Myektomie etabliert. Bei diesem katheterinterventionellen Verfahren induziert eine in „over the wire“ PTCA-Technik durchgeführte selektive Septalastinjektion von 0,5–3ml 95%igem Alkohol eine umschriebene subaortale Septumnekrose mit einem Volumen von ca. 3% der linksventrikulären Masse. Die resultierende lokale Septumdickenabnahme und eine gezielte Akinesie oder Dyskinesie der Subaortalregion ermöglichen eine Beseitigung der Ausflusstraktobstruktion, eine Reduktion der linksventrikulären Füllungsdrucke in Ruhe und unter Belastung sowie eine deutliche Besserung der klinischen Symptomatik um 1–2 NYHA-Stadien. Eine in 40% der Fälle vor Therapie zu beobachtende funktionelle Mitralinsuffizienz wird häufig günstig beeinflusst. Vor diesem Hintergrund untersuchten wir von 6/2002 bis 5/2003 27 Pat. (58±8J., 121 Männer) mit echokardiographischen und invasiven Kriterien einer HCM und evaluierten die mittels kardialer Magnetresonanztomographie (Kardio-MRT, GE, Signa CVi, 1,5 Tesla, Bildakquisition nativ und nach Gabe von 20ml Gadolinium-DTPA) erzielte Zusatzinformation in Differentialdiagnose, Therapieplanung und Therapiekontrolle. 18 Pat. zeigten eine HOCM und 6 Pat. eine HNCM. l Pat. hatte eine elektronen-mikroskopisch gesicherte myokardiale Speicherkrankheit (M. Fabry) und 2 Pat. ein „non compaction“ des linksventrikulären Myokards. Das Kardio-MRT lieferte dabei folgende Zusatzinformationen: (1) erleichterte Quantifizierung der globalen und regionalen LV-Funktion, (2) exaktere Erfassung von Hypertrophiegrad und -verteilung, (3) erleichterte Bestimmung der Ausflusstraktweite, (4) verbesserte Beurteilung der Apexregion, (5) quantitative Erfassung HCM-typischen septalen Narbengewebes, (6) erleichterte Planung der Katheterintervention (TASH, n=12) mit minimal-invasivem Vorgehen (<1,0ml 95%iger Alkohol in einen kleinen ganz proximalen Septalast) bei isoliert anterobasaler Septumhypertrophie (häufig ältere Pat. mit begleitender art. Hypertonie) oder konventionellem Vorgehen (größere Alkoholmenge in größere oder mehrere Septaläste) bei schwerer auch inferobasaler oder mittventrikulärer Hypertrophie (häufig jüngere Pat. mit erhöhtem Risiko eines plötzlichen Herztodes), (7) optimierte Therapiekontrolle (Beurteilung der Reduktion von Septumdicke, SAM, Mitralinsuffizienz und regionaler LV-Funktion bei gleichzeitiger Zunahme der Ausflusstraktweite), (8) Quantifizierung TASH-bedingt devitalisierten Myokards durch Vermessung der induzierten Septumakinesie und des Avitalität anzeigenden „late enhancement“. An einem M. Fabry und an einem „non compaction“ des linksventrikulären Myokards erkrankte Pat. zeigten eine echokardiographisch nur inkomplett erfasste Trabekularisierung und Obliteration der apikalen Cavumhälfte bei hochgradiger Dysfunktion des basisnah dünnwandigen Restventrikels. Schlussfolgerung: Bei HCM liefert das Kardio-MRT wesentliche Zusatzinformationen und ergänzt die etablierte Bildgebung in Differenzialdiagnose, Therapieplanung und Therapiekontrolle.