Laryngorhinootologie 2003; 82 - 35
DOI: 10.1055/s-2003-818911

Die Rolle von M. pneumoniae bei der Bell'schen Parese

C Völter 1, J Helms 1, B Weissbrich 1, M Abele-Horn 1
  • 1Univ.-HNO-Klinik und Poliklinik, Würzburg

Einleitung:

Die Ursache der Bell'schen Parese bleibt oft unklar (1). Seit Jahren werden zahlreiche infektiöse Erreger wie die neurotrophen Herpesviren, Borrelien oder Mumps, Röteln, CMV, EBV und HIV mit dieser sog. idiopathischen Fazialisparese in Verbindung gebracht (2).

Mycoplasma pneumoniae (MP) ist als potenter Erreger von Erkrankungen des oberen und unteren Respirationstraktes bekannt. Neurologische Krankheitsbilder stellen die häufigste extrapulmonale Komplikation nach einer MP Infektion dar. Dabei ist das klinische Spektrum vielfältig: eine Meningitis, Enzephalitis, Myelitis, Ataxie oder ein Guillain-Barré-Syndrom wurden beschrieben (3). Bislang liegen nur einzelne Fallberichte über eine Assoziation zwischen einer isolierten FP und einer MP Infektion vor (4). Ziel der vorgestellten Studie war es daher, die Rolle von MP in der Pathogenese der Bell'schen Parese zu untersuchen.

Material und Methoden:

Hierzu wurden 91 Patienten, die sich in den Jahren 2000–2002 mit einer akuten peripheren Fazialisparese unklarer Ätiologie in der HNO-Klinik der Universität Würzburg vorstellten, neben einer Borrelien- und Herpesvirendiagnostik (VZV, HSV-1/2) auch auf Antikörper gegen M. pneumoniae hin untersucht.

Als Nachweis einer akuten Mykoplasmeninfektion galt ein Partikelagglutinationstest ≥ 1: 40 (Serodia-Myco II Kit ®, Fujirebio, Tokyo, Japan) und das Vorhandensein von IgA- oder IgM-Antikörpern im Immunoblot (Western Blot Genzyme®, Virotech, Rüsselsheim, Germany). Antikörper gegen B. burgdorferi wurden entsprechend den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie mit einem ELISA (Biotest AG, Dreieich, Germany) und bei Vorliegen eines positiven Ergebnisses mit einem IgG- und IgM-Immunoblot bestimmt. Die Herpesvirendiagnostik beinhaltete die serologische Suche nach VZV- und HSV-spezifischen IgG- und IgM-Antikörpern im ELISA (Enzygnost®, Dade Behringer, Marburg, Deutschland).

Ergebnisse:

Der Partikelagglutinationstest war bei 32 Patienten positiv. 24 dieser 32 Patienten (75%) zeigten im Immunoblot, der als Bestätigungstest für eine akute MP Infektion diente, ein charakteristisches Proteinbandenmuster. Interessanterweise fand sich bei 10 Patienten neben einem erhöhten IgG-Titer lediglich ein erhöhter IgA-Titer; die IgM-Antikörperbande war negativ oder nur schwach positiv. Eine Serokonversion gegen Herpes zoster zeigte sich bei 12 sowie gegen Herpes simplex bei 3 Patienten. AK gegen Borrelien ließen sich in 6 Fällen nachweisen. Mischinfektionen fanden sich bei 3 Patienten, in 2 Fällen mit VZV, in 1 Fall mit HSV-1.

Die Altersstruktur der Mycoplasma positiven Patienten lag mit 23 Jahren im Median deutlich unter dem Alter der Gesamtgruppe (40 Jahren). In 12 Fällen fand sich eine rechtsseitige, in 10 Fällen eine linksseitige Parese; bei 1 Fall trat eine beidseitige, bei einem weiteren eine rezidivierende Parese auf. Entsprechend der Klassifikation nach Stennert zeigten 16 Patienten einen Index von ≤ V, 8 Patienten von > V. Nur zwei Patienten klagten über einen grippalen Infekt in der Vorgeschichte. Eine Pneumonie ließ sich bei keinem der Patienten nachweisen. Bei 21 der 24 Patienten kam es unter der Therapie zu einer Besserung der Parese; drei Patienten entwickelten eine Enzephalitis. Hiervon fand sich bei zwei Patienten eine Mischinfektion mit VZV und MP, in einem Fall eine reine MP Infektion.

Schlussfolgerungen:

Unsere Studie zeigt, dass eine Infektion mit M. pneumoniae v.a. bei jüngeren Patienten mit einer Bell'schen Parese häufig ist (>26%). Eine Borrelieninfektion oder eine Varizella zoster Virusinfektion (7% bzw. 13.7%) fand sich vergleichsweise selten. Bei einer peripheren Fazialisparese unklarer Ätiologie sollte daher eine Mykoplasmeninfektion differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden, unabhängig davon, ob eine pulmonale Symptomatik vorliegt oder nicht.

Literatur:

Schaitkin BM, May M, Podrinec M, Ulrich J, Peitersen E, Klein SR (2000) Idiopathic (Bell's) palsy, herpes zoster cephalicus and other facial nerve disorders of viral origin: In: May and Schaitkin (eds) The facial nerve. May's Second Edition Thieme Medical Publishers Inc, New York, p 319.

Morgan M, Nathwani D (1992) Facial palsy and infection: the unfolding story. Clinical Infectious Diseases 14: 263–71.

Koskiniemi M (1993) CNS manifestations associated with Mycoplasma pneumoniae infections: summary of cases at the university of Helsinki and review. Clin Infectious Diseases 17 (Suppl 1): 52–7.

Papaevangelou V, Falaina V, Syriopoulou V, Theodordou M (1999) Bell'palsy associated with mycoplasma pneumoniae infection. The Pediatric Infectiuos Disease 18: 1024–10.