Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 151
DOI: 10.1055/s-2003-816554

Lateralisation episodischer Gedächtnisinhalte innerhalb des mesialen Temporallappens: material- oder prozessabhängig?

K Wagner 1, L Frings 1, A Quiske 1, R Munk 1, J Spreer 1, A Schulze-Bonhage 1, U Halsband 1
  • 1Freiburg

Die Rolle des mesialen Temporallappens bei der Bildung episodischer Gedächtnisinhalte ist hinreichend bekannt, wogegen über die Möglichkeit einer funktionellen Asymmetrie kontrovers diskutiert wird: Die vom HERA-Modell angenommene Asymmetrie von Enkodier- und Abrufprozessen widerspricht der festgestellten materialabhängigen Asymmetrie. Die vorliegende funktionelle MRT-Studie soll anhand eines verbalen und eines visuell-räumlichen Gedächtnisparadigmas die beiden widersprüchlichen Thesen überprüfen. Bei 14 gesunden rechtshändigen Probanden (6 m, 8 w, Mittel 29 Jahre) wurden jeweils 2 Untersuchungen mit einem verbalen und einem räumlichen Gedächtnisparadigma durchgeführt. Bei der verbalen Aufgabe sollten sich die Probanden Wortpaare einprägen und später wiedererkennen, bei der räumlichen Aufgabe sollten Objektpositionen in einer virtuellen Umgebung enkodiert und wiedererkannt werden (Blockdesign mit adaptierten Kontrollbedingungen). An einem 1,5 T-Gerät wurden jeweils 168 bzw. 104 GE-EPI-Volumina (64*64 Matrix, 30 Schichten, 4*4*3.3mm Voxelgröße, TR=4s, TE=64 ms) akquiriert. Die Datenanalyse (SPM 99) umfasste zuvor festgelegte Regions of Interest, die bilateral den Hippokampus und den Gyrus parahippocampalis einschlossen. Es wurden Lateralisationsindizes (LI) für die Kontraste „Enkodieren“ und „Rekognition“ für beide Paradigmen ermittelt [(Anzahl der aktivierten Voxel rechts-Anzahl der aktivierten Voxel links)/(Gesamtzahl der aktivierten Voxel)] und anhand eines Wilcoxon-Signed-Rank-Tests verglichen. Es konnte ein signifikanter Unterschied in der Lateralisation zwischen dem Enkodieren von verbalem (linksseitig, M(LI Enkodieren)=-0,22, M(LI Rekognition)=-0,16) und visuell-räumlichem Material (rechtsseitig, M(LI Enkodieren)=0,05, M(LI Rekognition)=0,13) festgestellt werden (p<0,04). Dieser Unterschied zeigte sich ebenfalls im Wiedererkennen (p<0,02). Bei der Verarbeitung desselben Materials zeigten sich zwischen den Gedächtnisprozessen keine signifikanten Lateralisationsunterschiede. Die Ergebnisse deuten auf eine material- und nicht prozessabhängige Lateralisation innerhalb der mesialen Temporallappen bei der Bearbeitung von Gedächtnisaufgaben hin. Anhand einer größeren Stichprobe soll dieser Aspekt bei Gesunden weiter untersucht werden. Ein vielversprechender Ansatz für zukünftige Untersuchungen bildet hier der integrative Einsatz neurophysiologischer (MEG, EKP) und bildgebender Verfahren.