Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 150
DOI: 10.1055/s-2003-816553

Zeitverlauf kortikaler Aktivierung bei der Durchführung der Linienhalbierungsaufgabe

TD Waberski 1, K Rache 1, R Gobbelé 1, JC Marshall 1, GR Fink 1, H Buchner 1
  • 1Aachen, Oxford, Jülich

Linienhalbierungsaufgaben sind ein weit verbreiter Test zur Diagnostik visuell räumlicher Neglect-Syndrome. In einer vorangegangenen fMRT-Studie konnten wir die zugrundeliegende funktionelle Anatomie darstellen. Ziel der aktuellen Studie war es, mit ereigniskorrelierten Potenzialen die zeitlich-sequenzielle Aktivierung der bei Durchführung von Linienhalbierungsaufgaben (Landmark-Test) beteiligten neuronalen Prozesse darzustellen. Die ereigniskorrelierten Potenziale wurden bei 10 gesunden rechtshändigen Normalprobanden mit einer 96-Kanal-Ableitung aufgezeichnet, während die Probanden beurteilen mussten, ob eine horizontale Linie korrekt oder nicht korrekt durch eine vertikale Linie halbiert war. Als Kontrolle wurden die Probanden instruiert, zu entscheiden, ob eine vertikale Linie vorhanden war oder nicht, unabhängig von ihrer Position. In einer Stromdichterekonstruktion wurden die Quellmaxima bestimmt und einer räumlichen Clusteranalyse unterzogen. An den berechneten Quellorten wurden dann die Unterschiede in der Quellstärke zwischen den Bedingungen berechnet. Fünf Quellorte (S), die weitghend mit denen in der fMRT-Studie gefundenen Aktivierungen übereinstimmen, konnten identifiziert werden. S1: rechter mittlerer okzipitaler Kortex; S2: rechter superiorer posteriorer parietaler Kortex; S3+4: bilateraler inferiorer okzipitaler Kortex; und S5: rechter inferiorer posteriorer parietaler Kortex. Die Analyse des Zeitverlaufs der Aktivierung zeigte eine sequenzielle Aktivierung mit Beginn im extrastriatären Kortex, gefolgt von einer Aktivierung des rechten superioren posterioren parietalen Kortex, bilateralen inferioren okzipitalen Kortex und rechten inferioren posterioren parietalen Kortex. Unsere Ergebnisse der Quellrekonstruktion sind hinsichtlich der Lokalisation der Aktivierungen konsistent mit unseren vorherigen fMRT-Ergebnissen. Zusätzlich zeigt die Analyse des Stromdichteverlaufs die zeitlich differenzierte Aktivierung der beteiligten Areale. Die Studie bestätigt die besondere Bedeutung des posterioren parietalen Kortex in der Verarbeitung visuell-räumlicher Aufgaben, wie sie nach den Ergebnissen von Läsionsstudien naheliegt.