Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 148
DOI: 10.1055/s-2003-816551

Clusteranalyse zur Klassifikation des Morbus Wilson auf Basis neurophysiologischer Parameter: ein Anwendungsbeispiel künstlicher neuronaler Netze zur Betrachtung komplexer neurologischer Krankheitsbilder

T Villmann 1, P Günther 1, A Wagner 1, W Hermann 1
  • 1Leipzig

Die hepatolentikuläre Degeneration (Morbus Wilson) ist eine genetisch bedingte Kupferspeichererkrankung mit einem komplexen Schädigungsmuster. Die Einteilung der Verlaufsformen orientiert sich vorrangig an der extrapyramidal-motorischen und hepatischen Symptomatik. Elektrophysiologische Verlaufsuntersuchungen decken Störungen in mehreren Funktionssystemen des Zentralnervensystems auf, wobei eine Einteilung auf Basis neurophysiologischer Parameter mit konventionellen statistischen Methoden begrenzt ist. Akustisch, visuell, somatosensibel und motorisch evozierte Potenziale wurden bei 37 medikamentös behandelten Patienten mit Morbus Wilson (28 Patienten mit neurologischer, 9 mit nichtneurologischer Verlaufsform, Alter im Median 41,8 Jahre) und bei 24 gesunden Probanden erhoben. Zur parallelen Korrelation der multimodal evozierten Potenziale untereinander als auch in Bezug auf die klinischen Verlaufsformen wurde ein GSOM-Ward-Clustering, basierend auf Growing-Self-Organizing-Maps, verwendet. Durch die Clusteranalyse der multimodal evozierten Potenziale lassen sich Patienten mit neurologischer Verlaufsform in zwei pathologischen Clustern, einem Cluster gesunder Probanden bzw. neurologisch asymptomatischer Patienten, gegenüberstellen. Zur Abgrenzung tragen die Ergebnisse der motorisch evozierten Potenziale besonders bei. Eine Korrelation der neurologischen Verlaufsformen untereinander in Bezug auf die Cluster war jedoch nicht gegeben. Mithilfe der Clusteranalyse gelingt es, mehrdimensionale Datensysteme wie multimodal evozierte Potenziale parallel zur Beurteilung komplexer neurologischer Krankheitsbilder auszuwerten. Eine Klassifikation des Morbus Wilson auf Basis neurophysiologischer Parameter ist damit möglich. Deutlich wird jedoch auch, dass die mithilfe der Clusteranalyse erhobenen neurophysiologischen Schädigungsprofile mit der klinischen Einteilung nicht korrelieren.