Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 147
DOI: 10.1055/s-2003-816550

Die P3-Komponente ist nicht nur reizabhängig, sondern integriert reiz- und reaktionsbezogene Verarbeitung

R Verleger 1, P Jaskowski 1, E Wascher 1
  • 1Lübeck, Bromberg, München

Die an der Kopfoberfläche gemessene P3 hat in intrakranialen Ableitungen Korrelate an vielen gemessenen Orten. Daher könnte die P3 eine integrative Funktion haben, insbesondere – hier untersucht – für das Zusammenbinden von Wahrnehmung und Reaktionsvorbereitung. Wenn dies zutrifft, sollte die P3 bei reaktionssynchroner Mittelung nicht kleiner sein als bei reizsynchroner Mittelung. Diese Voraussage widerspricht der üblichen Ansicht, wonach die P3 nur „stimulus evaluation“ widerspiegele. Diese Hypothese wurde hier in Daten aus zwei verschiedenen Aufgaben mit jeweils mehreren experimentellen Bedingungen, mit visuellen und akustischen Reizen, untersucht. Zu diesem Zweck wurden die Daten nicht nur reizsynchron gemittelt, sondern auch reaktionssynchron, und beide Mittel wurden für jede experimentelle Bedingung miteinander verglichen. In der Tat waren die parietalen P3-Amplituden in reaktionssynchron gemittelten Daten nicht kleiner als in reizsynchronen, in einigen Bedingungen sogar größer. Bei visuellen Reizen traf dies auch für die fronto-zentrale P3 zu. Im Sinne der „stimulus evaluation“-Hypothese der P3 verhielt sich nur die fronto-zentrale P3 bei akustischen Reizen: Diese war größer bei reizsynchroner Mittelung. Zum Vergleich gab es deutliche Effekte der zeitlichen Referenz für die Gipfelamplitude des lateralisierten Bereitschaftspotenzials und des Zeitverlaufs der Reaktionskraft: Beide Maße waren deutlich größer bei reaktionssynchroner Mittelung. Da sie also gleichermaßen reiz- und reaktionsbezogen sind, können die visuelle P3 und die akustische parietale P3 nicht nur „stimulus evaluation“ widerspiegeln, sondern haben offenbar eine Funktion bei der Integration von Information über Wahrnehmung und Handlung. Diese Integration könnte ein wesentlicher Faktor bei der Bildung von bewussten Repräsentationen sein.