Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 119
DOI: 10.1055/s-2003-816522

Desynchronisation von Motoneuronentladungen nach transkranieller Magnetstimulation: Eine quantitative Analyse

KM Rösler 1, WJ Z'Graggen 1, AM Humm 1
  • 1Bern

Motorisch evozierte Potenziale sind kleiner als Muskelsummenpotenziale nach supramaximaler Nervenstimulation. Der Größenunterschied wird dadurch verursacht, dass die Motoneuron-Entladungen nach TMS des Hirnes zeitlich nicht synchron erfolgen, was eine Dispersion des Muskelsummenpotenzials und Phasenkanzellationsphänomene zur Folge hat (=Desynchronisation motorisch evozierter Potenziale). Mittels Triple-Stimulationstechnik können die TMS-induzierten Motoneuron-Entladungen resynchronisiert werden. Die Reizantworten bei Triple-Stimulationstechnik sind deshalb größer als motorisch evozierte Potenziale. Charakterisierung und Lokalisierung von Mechanismen, welche zur Desynchronisation motorisch evozierter Potenziale führen. Dazu wurde die Desynchronisation in zwei verschiedenen Zielmuskeln und bei Gesunden versus MS-Patienten verglichen. Größenvergleich von motorisch evozierten Potenzialen (=desynchronisierte Reizantwort) und Triple-Stimulationstechnik (=resynchronisierte Reizantwort). Der Amplitudenquotient Triple-Stimulationstechnik/motorisch evozierte Potenziale diente als Maß der Desynchronisation motorisch evozierter Potenziale. Stimulationsstärke und Fazilitierungsmanöver wurden jeweils so gewählt, dass maximale Reizantworten erhalten wurden. Zielmuskeln waren der M. abductor digiti minimi bei 68 MS-Patienten und 36 Gesunden, und der M. abductor hallucis bei 68 Patienten und 33 Gesunden. Der Amplitudenquotient Triple-Stimulationstechnik/motorisch evozierte Potenziale war im M. abductor hallucis signifikant höher als im M. abductor digiti minimi (2,86 vs. 1,60 bei Gesunden; 3,39 vs. 2,00 bei MS-Patienten; p<0,0001, Mann-Whitney). Wenn der Amplitudenquotient Triple-Stimulationstechnik/motorisch evozierte Potenziale jedoch in Beziehung gesetzt wurde zur zentralen motorischen Laufzeit, so fand sich kein Unterschied mehr zwischen den beiden Muskeln. Es fand sich auch kein signifikanter Unterschied zwischen Gesunden und MS-Patienten (p>0,05, Mann Whitney), doch war der Amplitudenquotient Triple-Stimulationstechnik/motorisch evozierte Potenziale bei MS-Patienten mit chronischer Verlaufsform erhöht, parallel mit verlängerter zentraler motorischer Laufzeit. Die Desynchronisation der Motoneuronentladungen nach TMS wird maßgeblich durch die zentrale Leitzeit bestimmt, unabhängig davon, ob diese Leitzzeit durch größere Distanz (M. abductor digiti minimi vs. M. abductor hallucis), oder durch Krankheitsprozesse verlängert wird (MS vs. Gesunde). Damit ist es unwahrscheinlich, dass synaptische Prozesse (auf kortikaler oder spinaler Ebene) wesentlich zur Desynchronisation beitragen.