Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 110
DOI: 10.1055/s-2003-816513

Bewegungs-korrelierte kortikale Aktivität beim Restless Legs-Syndrom

C Rau 1, F Hummel 1, C Gerloff 1
  • 1Tübingen

Die Pathophysiologie des Restless legs-Syndroms ist weitgehend unverstanden. Als Ursache wird eine tageszeitabhängige Desinhibition auf verschiedenen Ebenen des ZNS angenommen, v.a. spinal und in den Basalganglien. Das von Patienten geschilderte Kernsymptom „Bewegungsdrang“ lässt aber vermuten, dass bereits vor Einsetzen der „unwillkürlichen“ Bewegungen beim Restless legs-Syndrom auch der Kortex involviert ist. Um dies zu testen, wurden 4 Patienten mit Restless legs-Syndrom zu dem Zeitpunkt untersucht, an dem sie typischerweise „unwillkürliche“ Beinbewegungen haben (abends). Drei Bedingungen wurden getestet: (A) Simulation der „unwillkürlichen“ Beinbewegungen, (B) „unwillkürliche“ Beinbewegungen, (C) passive Beinbewegungen. Die Bewegungen wurden mit 4 EMG-Kanälen registriert und es wurde ein 28 Kanal-EEG aufgezeichnet. Als Maß für Bewegungs-korrelierte Aktivität wurde der Zeitverlauf spektraler Poweränderungen mit der Technik der Ereignis korrelierten Desynchronization (ERD) im Bereich von 10–11Hz α und 22–24Hz β berechnet. Hauptergebnis war, dass auch „unwillkürliche“ Beinbewegungen (B) mit präparatorischer kortikaler Aktivität assoziiert waren. Für diese von den Patienten als typisch empfundenen Bewegungen begann die Beta-ERD 575 ms vor EMG-Beginn (Maximum Cz). Alpha-ERD fand sich weniger konstant (2 Patienten), ebenfalls bereits 400 ms vor EMG-Beginn. In Bedingung (A) (Willkürmotorik) war der durchschnittliche Beginn der Beta-ERD etwa 1600 ms vor EMG-Beginn (Maximum FCz und Cz). Alpha-ERD vor EMG-Beginn war wie in (B) weniger konsistent. In der Kontrollbedingung (C) (passive Bewegung) zeigte sich keine mit (A) und (B) vergleichbare Beta- oder Alpha-ERD vor EMG-Beginn. Beta-/Alpha-ERD begann in dieser Bedingung etwa 200 ms nach EMG-Beginn und hatte ein weiter parietal gelegenes topografisches Maximum (Cz, CPz). Zusammenfassend zeigen diese Daten, dass den typischen „unwillkürlichen“ Beinbewegungen beim Restless legs-Syndrom eine kortikale Aktivierung (ERD) mit Maximum im Bereich von prämotorischen und primär motorischen Arealen vorausgeht. Diese Aktivierung beginnt später als bei den simulierten „willkürlichen“ Beinbewegungen (B), kann aber nicht mit Erwartung oder sensorischer Verarbeitung passiv generierter Bewegungen erklärt werden (C). Die Daten sprechen für eine Beteiligung prämotorischer und primär motorischer kortikaler Areale bei der Entstehung von Restless legs-Syndrom typischen Bewegungen. Die hier beschriebene kortikale präparatorische Aktivierung könnte ein Korrelat für den bei Patienten mit Restless legs-Syndrom typischen „Bewegungsdrang“ sein.