Interaktionen zwischen Schmerz und Berührung in den somatosensorischen Kortizes des Menschen

Schmerzhafte Reize und nachfolgende motorische Reaktionen gehen gewöhnlich mit einer mechanischen Reizung einher. Entsprechend finden sich auf peripherer, spinaler und thalamischer Ebene enge Assoziationen zwischen dem nozizeptiven und dem mechanorezeptiven System. Auf kortikaler Ebene ist bekannt, dass nozizeptive wie mechanische Reize zu einer Aktivierung der primären (S1) und sekundären somatosensorischen Kortizes (S2) führen. Mögliche Interaktionen zwischen Nozizeption und Mechanorezeption in diesen Arealen wurden bisher jedoch nicht näher charakterisiert. Mittels Magnetenzephalographie haben wir daher den Einfluss selektiv nozizeptiver kutaner Laserreize auf die kortikale Verarbeitung von 500 ms später erfolgender mechanorezeptiver Reizung desselben Körperareals untersucht. Die Ergebnisse belegen, dass Antworten auf mechanorezeptive Reize mit Latenzen über 50 ms durch die vorangegangenen nozizeptiven Reize signifikant verstärkt werden. Die Lokalisierung dieser Antworten zeigt, dass diese späteren Stufen mechanorezeptiver Verarbeitung im hinteren Anteil des S1-Kortex, entsprechend den zytoarchitektonischen Arealen 1 und 2, dem posterior parietalen Kortex und den S2-Kortizes beider Hemisphären stattfinden. Die frühen, überwiegend in der Area 3b von S1 lokalisierten Antworten bleiben hingegen unbeeinflusst von der vorangegangenen nozizeptiven Reizung. Diese Ergebnisse zeigen, dass Schmerzreize zu einer Fazilitierung der Verarbeitung nachfolgender taktiler Reize aus der gleichen Körperregion führen. Die unveränderten frühen Antworten belegen, dass dieser Effekt nicht auf peripherer, spinaler oder thalamischer, sondern auf kortikaler Ebene stattfindet. Wir vermuten, dass es sich hierbei um einen unwillentlichen attentionalen Effekt auf die Verarbeitung der aus dem bedrohten Körperareal stammenden Reize handelt.