Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 95
DOI: 10.1055/s-2003-816498

Kovariation von Theta- und Gamma-Oszillationen beim perzeptuellen Lernen

M Neufang 1, B Schott 1, A Richardson-Klavehn 1, HJ Heinze 1, E Duezel 1
  • 1Magdeburg, London

In den letzten Jahren konnte in tierexperimentellen Arbeiten die grundlegende Bedeutung von Oszillationen für die räumliche und zeitliche Integration neuronaler Aktivität gezeigt werden. Ein aktuelles Modell perzeptueller Verarbeitung postuliert, dass Oszillationen im Gamma-Frequenzbereich eine zentrale Rolle bei der lokalen Verarbeitung innerhalb eines Kortexareales spielen, während Oszillationen im Theta- oder Alpha-Frequenzbereich die interareale Koordination modulieren. Beim Menschen konnte eine derartige Alpha-/Theta-Modulation von Gamma-Oszillationen noch nicht gezeigt werden. Zehn Probanden wurden Wörter im MEG visuell präsentiert und entsprechend einer sich 30 Minuten später anschließenden Wortstamm-Komplettierung in Wörter mit Priming (der Wortstamm wurde mit einem studierten Wort vervollständigt) und vergessene (der Wortstamm wurde mit einem neuen Wort vervollständigt) eingeteilt. Rohdatenepochen wurden getrennt für Wörter mit Priming und vergessene Wörter einer Frequenzanalyse mit Wavelets unterzogen. Die resultierenden Amplituden und Phasenwerte wurden mit einer multivariaten statistischen Methode (Partial Least Squares) untersucht. In die Analyse gingen dabei die Amplitude der Gamma-Oszillationen (32, 38 und 45Hz) sowie die Phasen der Theta- und Alpha-Oszillationen (4,15–4,92; 5,83–6,92; 8,2–9,7Hz) ein. Es zeigten sich zwei Muster. Erstens kam es bereits ab 160 ms nach Beginn der Wortpräsentation zu einer Abnahme der Gamma-Amplitude während einer positiven Thetaphase über okzipital gelegenen Sensoren. Zweitens trat dieser Effekt ab 280 ms über links frontalen Sensoren im Wechsel mit einer Zunahme von Gamma-Oszillationen in negativen Thetaphasen auf. Die vorliegenden Daten sind mit tierexperimentellen Arbeiten vereinbar, die phasenmodulierte Gamma-Oszillation als Mechanismus der interarealen Koordination zeigen und belegen zudem die Bedeutung dieses Phänomens für perzeptuelles Lernen.