Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 86
DOI: 10.1055/s-2003-816489

Exakte Quantifizierung der kortiko-spinalen Innervation von drei kleinen Handmuskeln bei Gesunden mittels Penta-Stimulations-Technik und single motor unit-Ableitungen

F Meintzschel 1, U Ziemann 1
  • 1Frankfurt/M

Ziel der Untersuchung war die Klärung der Frage, ob die drei kleinen Handmuskel M. abductor pollicis brevis, M. interosseus dorsalis I und M. abductor digiti minimi entsprechend ihrer differierenden funktionellen Bedeutung einer unterschiedlichen Kontrolle durch den motorischen Kortex unterliegen. Als Methoden wurden die hier erstmals beschriebene Penta-Stimulations-Technik, eine Fortentwicklung der Triple-Stimulations-Technik, sowie Single motor unit-Ableitungen gewählt. Die Triple-Stimulations-Technik erlaubt eine genaue Quantifizierung desjenigen Anteils der spinalen Motoneurone, der durch transkranielle Magnetstimulation (TMS) erregt wird. Die Triple-Stimulations-Technik wurde nur für den M. abductor digiti minimi beschrieben, vergleichende Untersuchungen zwischen verschiedenen Handmuskeln sind durch unterschiedlich ausgeprägte Effekte der Volumenleitung nicht möglich. Bei der Penta-Stimulations-Technik werden durch zwei weitere supra-maximale elektrische Reize am „nicht interessierenden“ peripheren Nerven (z.B. bei Testung des durch den N. medianus versorgten M. abductor pollicis brevis der N. ulnaris) durch TMS und Erb-Reizung ausgelöste deszendierende Signale im „nicht interessierenden“ Nerven kollidiert und dadurch volumengeleitete Potenziale im Testmuskel verhindert. Dadurch wird ein exakt quantifizierender Vergleich der kortiko-spinalen Innervation zwischen den drei untersuchten kleinen Handmuskeln möglich. In allen Experimenten mit Penta-Stimulations-Technik wurde die motorische Ruheschwelle des Testmuskels mit fokaler TMS bestimmt und dann in 5%-Schritten der Stimulatorleistung die TMS Intensität von 90% der motorischen Ruheschwelle bis 145% der motorischen Ruheschwelle randomisiert variiert und so eine Penta-Stimulations-Technik-Intensitätskurve bestimmt. Die Experimente mit Penta-Stimulations-Technik wurden im entspannten Testmuskel durchgeführt. Der M. interosseus dorsalis I zeigte eine signifikant steiler und höher verlaufende Intensitätskurve als M. abductor pollicis brevis und M. abductor digiti minimi (Daten von 6 gesunden Probanden). Komplementär ergaben die Experimente mit Single motor unit (jeweils 11 motorischen Einheiten pro Muskel) ein signifikant größeres, durch fokale TMS des Motorkortex ausgelöstes compound exzitatorisches postsynaptisches Potenzial im M. interosseus dorsalis I als im M. abductor pollicis brevis oder M. abductor digiti minimi. Zusammenfassend demonstrieren der erstmalige Einsatz einer neuen Methode (Penta-Stimulations-Technik) und die Single motor unit-Experimente eine stärkere kortiko-spinale Kontrolle des M. interosseus dorsalis I verglichen mit M. abductor pollicis brevis und M. abductor digiti minimi. Dieses stärkere kortikale „Interesse“ könnte für die komplexe Funktion des M. interosseus dorsalis I bei feinmotorischen Aufgaben wie dem Pinzetten-Griff eine wichtige Rolle spielen.