Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 62
DOI: 10.1055/s-2003-816465

Normale Orexin-A Neurotransmission in einem monozygoten DQB1*0602 positiven Zwillingspaar konkordant für Narkolepsie mit Kataplexie

R Khatami 1, S Maret 1, E Werth 1, J Rètey 1, D Schmid 1, M Tafti 1, C Bassetti 1
  • 1Zürich, Genf

Aktuelle pathophysiologische Modelle zur Narkolepsie mit Kataplexie gehen von einer multifaktoriell bedingten Störung der Orexin A-Transmission aus. Nach neueren Studien finden sich niedrige oder fehlende Orexin A-Liquorwerte bei Narkolepsie-Patienten mit Kataplexie mit einer Sensitivität von 87% und einer Spezifität von 99%. Untersuchung eines monozygoten Zwillingspaares mit Narkolespie/Kataplexie inklusive Polysomnographie, multiplem Schlaf-Latenztest, MRT des Kopfes, Typisierung des humanen Lymphozyten-Antigens, Bestimmung des Liquor Orexin A, Sequenzierung beider Orexinrezeptorgene sowie des Precursorgens Preproorexin. Bei beiden Zwillingschwestern (ID und JD; 37 Jahre) traten erste Symptome der Narkolepsie in Form von Schlaflähmungen mit hypnagogen Halluzinationen in der frühen Kindheit auf. Exzessive Tagesschläfrigkeit und emotional getriggerte Kataplexien manifestierten sich in der Adoleszenz. Eine Tante mütterlicherseits leidet ebenfalls unter Schlaflähmungen und hypnagogen Halluzinationen. Die erhöhte Tagesschläfrigkeit ließ sich im multiplen Schlaf-Latenztest mit kurzen mittleren Einschlaflatenzen von 4min (ID) bzw. 5min (JD) objektivieren. Nur bei einer Schwester (ID) waren zwei Sleep onset-REM im multiplen Schlaf-Latenztest nachweisbar. Die Monozygotie wurde anhand genetischer Marker bestätigt (Wahrscheinlichkeit der Monozygotie: 99,9%). Beide Schwestern sind positiv für die Marker des humanen Lymphozyten-Antigens DQB1*0602, DQA1*0102, DRB1*15, DRB5*. Die Werte des Liquor-Orexin A sind bei beiden Schwestern normal (546 pg/ml und 530 pg/ml). Die Gensequenzierung ergab keinen Hinweis auf eine Mutation oder einen Polymorphismus. Unsere Beobachtung ist aus zwei Gründen bemerkenswert. 1. Der konkordante Krankheitsverlauf mit früher Erkrankungsmanifestation in der Kindheit sowie die positive Familienanamnese sind Hinweise darauf, dass die Narkolepsie mit Kataplexie überwiegend (oder möglicherweise ausschließlich) genetisch bedingt ist. In der Literatur sind bisher zwei monozygote, Lymphozyten-Antigen-positive Zwillingspaare bekannt, die für das Narkolepsie-Kataplexie-Syndrom konkordant sind. Beide Zwillingspaare wurden allerdings erst Jahre nach Krankheitsbeginn konkordant. 2. Unser Paar beweist die Existenz einer (überwiegend) genetisch bedingten Form der Narkolepsie mit Kataplexie, die mit den genetischen Markern (Humanes Lymphozyten-Antigen DQB1*0602) der Krankheit assoziiert ist, vermutlich jedoch nicht über eine gestörte Neurotransmission von Orexin A vermittelt wird.