Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 49
DOI: 10.1055/s-2003-816452

Kardiovaskuläre Reaktion auf passive Orthostase-Belastung bei Patienten mit chronischer Querschnittslähmung

MJ Hilz 1, W Grüninger 1, EO Sanya 1, CM Brown 1, M Wagner 1, B Neundörfer 1
  • 1Erlangen, Hohe Warte, Bayreuth

Bei Patienten mit Querschnittslähmungen sind die kardiovaskulären Reaktionen während orthostatischer Belastung beeinträchtigt. In dieser Studie sollten die kardiovaskulären Antworten auf passive orthostatische Belastung bei Patienten mit chronischer Querschnittslähmung geprüft werden. Bei 8 chronisch querschnittsgelähmten Patienten (7 Frauen, 1 Mann, Alter 43±7 Jahre, 3 Patienten mit thorakaler (T4, T4, T5), 5 Patienten mit zervikaler (C4, C5, C6, C6, C7) Läsion, 4 komplette, 4 inkomplette Läsionen, Krankheitsdauer 127±37 Monate) und bei 11 gesunden Kontrollpersonen (7 Männer, 4 Frauen, Alter 26±1 Jahr) registrierten wir im Liegen und während zehnminütiger 60° Kipptisch-Belastung fortlaufend Herzfrequenz, Blutdruck über der A. radialis am Handgelenk mittels Applanationstonometrie (Colin Pilot, Colin, San Antonio, TX, USA), kardiales Auswurf- und Herzminutenvolumen mittels Impendanzkardiographie (Medis, Ilmenau). Der totale periphere Widerstand wurde aus dem Verhältnis von mittlerem Blutdruck und Herzminutenvolumen berechnet. Bei 3 der querschnittsgelähmten Patienten (1 komplette Läsion, 2 inkomplette Läsionen, 1 thorakale Läsion (T4), 2 zervikale Läsionen (C5, C6)) musste der Kipptisch-Versuch vorzeitig beendet werden, da der Blutdruck stark abfiel und die Patienten präsynkopale Symptome boten. Bei den verbleibenden fünf Patienten (3 zervikale Läsionen (C4, C6, C7), 2 thorakale Läsionen (T4, T5), 2 komplette, 3 inkomplette Läsionen) zeigten die kardiovaskulären Veränderungen während Orthostase keine Unterschiede zu den Kontrollpersonen bezüglich der Werte von Herzfrequenz (Kontrollpersonen +20±2, Patienten +14±2 Schläge/min), systolischem Blutdruck (–9±3 vs. –10±20mmHg), diastolischem Blutdruck (4±3 vs. 3±14mmHg), Herzminutenvolumen (–27±2% vs. –21±9%) und totalem peripherem Widerstand (+41,8±7,2 vs. +25,1±19,6%). Im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen zeigen die Patienten mit chronischer Rückenmarksläsion deutliche Schwankungen der kardiovaskulären Antworten auf die passive orthostatische Belastung sowie eine hohe Inzidenz von Synkopen bzw. Präsynkopen. Die Variabilität der kardiovaskulären Antworten scheint nicht eng mit der Höhe oder Vollständigkeit der Rückenmarksverletzung zu korrelieren und erfordert genauere Abklärung in weiteren Studien.