Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 21
DOI: 10.1055/s-2003-816424

Korrelation des intraoperativen EMG mit postoperativer Fazialisfunktion bei Kleinhirnbrückenwinkeltumoren

O Crome 1, M Manthey 1, H Arnold 1, A Sepehrnia 1, M Bähr 1
  • 1Göttingen, Lübeck

Bei der kontinuierlichen intraoperativen Elektromyographie der vom N. facialis innervierten Muskulatur während Operationen im Kleinhirnbrückenwinkel können unterschiedliche, pathologischer Spontanaktivität gleichende Potenziale registriert werden. Unter diesen konnten distinkte hochfrequente repetitive Entladungen identischer innerer Frequenz, sog. A-Trains, als prädiktiver Parameter für das Auftreten oder die Zunahme einer Fazialisparese nach Operation identifiziert werden. Ziel dieser Studie war es zu prüfen, ob eine quantitative Korrelation des intraoperativen EMG-Befundes mit der postoperativen Funktion des N. facialis möglich ist. Bei 20 Patienten erfolgte die kontinuierliche intraoperative Ableitung des EMG aus dem M. orbicularis oculi und M. orbicularis oris. Die gewonnenen Daten wurden einer qualitativen und quantitativen Offline-Analyse unterzogen. Die Beurteilung der Funktion des N. facialis erfolgte nach der Skala von House und Brackman vor und am 3. Tag nach Operation. Zwölf Patienten blieben ohne Defizit oder verschlechterten sich um maximal 1 Grad, acht Patienten wiesen eine Zunahme um 2–4 Grade auf. A-Trains fanden sich bei 18 Patienten, bei zwei als falsch positiver Befund. Falsch negative Resultate wurden nicht verzeichnet. Wurde die Anzahl an A-Trains zugrunde gelegt, resultierte eine hyperbelförmige Abhängigkeit des Paresegrades von der Train-Anzahl mit einem kritischem Bereich entsprechend einem steilen Anstieg des Paresegrades bei 200–250 Trains. Darunter kam es allenfalls zu einer Verschlechterung um einen Paresegrad. Für die übrigen Parameter wie Gesamtdauer, Amplitude und Frequenz war keine Korrelation zum postoperativen Ergebnis herzustellen. Eine Spezifität von 89% und eine Sensitivität von 100% belegen die Wertigkeit von intraoperativ registrierten A-Trains. Als wertvoller prädiktiver Marker stellt sich die Anzahl der registrierten A-Trains dar. Hier scheint ein kritischer Schwellenwert vorzuliegen, oberhalb dessen regelmäßig eine signifikante Verschlechterung der Fazialisfunktion auftritt, während unterhalb dieses Wertes keine oder lediglich funktionell und kosmetisch nicht relevante Defizite resultieren. Neben einer Anpassung des operativen neurochirurgischen Vorgehens erlaubt dieser Parameter in Zukunft rechtzeitig Patienten zu identifizieren, die von einer frühzeitigen bereits intraoperativ eingeleiteten vasoaktiven und neuroprotektiven Therapie profitieren könnten.