Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 16
DOI: 10.1055/s-2003-816419

Änderungen der kortikokortikalen Exzitabilität bei akuten zerebralen Ischämien. Eine Untersuchung mittels transkranieller magnetischer Doppelstimulation

J Binder 1, JC Wöhrle 1, MG Hennerici 1
  • 1Mannheim

Experimentelle Daten legen eine erhöhte Fazilitation im Bereich einer fokalen zerebralen Ischämie sowie eine Disinhibition der nicht betroffenen Hemisphäre nahe. Da es diesbezüglich bisher nur wenige Studien zur veränderten kortikalen Erregbarkeit beim Schlaganfall gibt, untersuchten wir bei Patienten mit akuten zerebralen Ischämien die kortiko-kortikale Exzitabilität mittels transkranieller magnetischer Doppelstimulation. Acht gesunde Probanden und sieben Patienten mit einer akuten zerebralen Ischämie mit leichter Parese der Hand wurden innerhalb der ersten fünf Tage nach Beginn der Symptomatik untersucht. Drei Patienten hatten einen kortikalen Infarkt unter Aussparung des primär-motorischen Kortex erlitten, bei vier Patienten war eine subkortikale lakunäre Ischämie festgestellt worden. Die transkranielle magnetische Doppelstimulation wurde durch eine fokale Spule über dem primär-motorischen Kortex des kontralateralen M. interosseus dorsalis I appliziert mit einem konditionierenden Stimulus (65% der Ruheschwelle) und einem Teststimulus (110–120% der Ruheschwelle) bei Interstimulus-Intervallen von 1, 2, 3, 5, 7, 10, 15, 20 und 30 ms. Für jedes Interstimulus-Intervall wurden 10 Doppelstimulationen angewandt. Bei Patienten mit einer subkortikalen Ischämie wurde eine signifikant geringer ausgeprägte Inhibition der nicht-betroffenen Hemisphäre bei Interstimulus-Intervallen von 1–3 ms gefunden (66% gegen 24% bei den Probanden, p<0,001). Patienten mit einer kortikalen Ischämie zeigten sogar eine Fazilitation (146% gegen 24% bei Probanden, p=0,05). Die Inhibition der betroffenen Hemisphäre war bei subkortikalen Ischämien weniger ausgeprägt (52% gegen 24% bei Probanden, p=0,01), bei kortikalen Ischämien dagegen nicht einheitlich. Die geringer ausgeprägte Inhibition der nicht betroffenen Hemisphäre bei kortikalen und subkortikalen Ischämien könnte durch ein Verlust der transkallosalen Hemmung der betroffenen Hemisphäre verursacht sein. Darüber hinaus weisen unsere Daten auf eine Abhängigkeit des Ausmaßes der Disinhibition (verringerte Hemmung – Fazilitation) von der subkortikalen oder kortikalen Lokalisation der Ischämie hin. Die geringer ausgeprägte Inhibition der betroffenen Hemisphäre bei subkortikalen Ischämien könnte durch Schädigungen von subkortiko-kortikalen hemmenden neuronalen Regelkreisen bedingt sein.