Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 15
DOI: 10.1055/s-2003-816418

Vermehrte Flare-Reaktion nach intradermaler Azetylcholingabe bei schmerzhaften Polyneuropathien

A Bickel 1, O Pos 1, S Leis 1, B Neundörfer 1, MJ Hilz 1, B Namer 1
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Unsere Arbeitsgruppe konnte kürzlich zeigen, dass der durch Histamin oder elektrische Reizung ausgelöste neurogene Axonreflex bei Patienten mit small-fiber-Neuropathien reduziert ist. Ziel dieser Untersuchung war, das Ausmaß der Veränderungen des Axonreflexes nach Gabe von Transmittern des sympathischen Nervensystems zu analysieren, um damit mögliche Interaktionen zwischen efferenten und afferenten Axonen zu erfassen. Eine 1%ige Azetylcholin-Lösung wurde bei zwölf Patienten mit schmerzhafter und elf Patienten mit nicht schmerzhafter Polyneuropathie mittels Mikrodialyse intradermal appliziert, die dadurch ausgelöste indirekte und axonreflexvermittelte Schweißantwort sudometrisch erfasst. Darüber hinaus wurde das durch Azetylcholin ausgelöste Axonreflexflare (Axonreflexrötung, -vasodilatation) mit einem Laser-Doppler-Scanner in Abständen von 30s erfasst. Zwischen den Patienten mit schmerzhafter und schmerzloser Polyneuropathie fanden sich keine Unterschiede in den klinischen Routinetests bezüglich Ausmaß der Neuropathie oder Auffälligkeiten in der Elektrophysiologie. Die durch Azetylcholin direkte (40,3: 34,9µl/min*cm2) und indirekte (12,6: 12,5µl/min*cm2) Schweißantwort unterschied sich ebenfalls nicht siginifikant. Das durch Aztylcholin ausgelöste Axonreflexflare war jedoch bei schmerzhaften Polyneuropathien signifikant größer als bei schmerzlosen (4,3: 2,2cm2). Direkte und indirekte Schweißantworten gleichen Ausmaßes bei Patienten mit schmerzhafter und schmerzloser Polyneuropathie ergeben zunächst keinen Anhalt für ein unterschiedliches Ausmaß der Schädigung cholinerger Fasern bei schmerzhaften Polyneuropathien. Gleichwohl zeigt sich ein größere Axonreflexflarereaktion bei schmerzhaften Polyneuropathien. In bisherigen Untersuchungen mit elektrischer Reizung oder Reizung der Afferenzen mit Histamin war die Flare-Reaktion bei schmerzhaften Polyneuropathien dagegen stets geringer ausgefallen. Dies könnte ein Hinweis auf eine funktionelle Kopplung sympathischer und afferenter Nervenfasern bei schmerzhaften Polyneuropathien sein.