Bei etwa 3% aller Frauen kommt es zum Erliegen zyklischen Menstruation vor dem 40. Lebensjahr. Dieses Krankheitsbild wird als vorzeitige Ovarialinsuffizienz (premature ovarian failure, POF) bezeichnet und geht mit sekundärer Amenorrhö, erhöhter FSH-Konzentration im Blut sowie erniedrigten Östradiolspiegeln einher. In der klinischen Praxis finden sich viele Faktoren, die als Ursachen der vorzeitigen Ovarialinsuffizienz infrage kommen: Infektionen (z.B. Mumps), Autoimmunerkrankungen, chirurgische Eingriffe am kleinen Becken, Chemotherapie und Bestrahlungen. Ebenso sind einige Gendefekte bekannt, die mit POF assoziiert sein können. In etwa 60% aller Fälle ist eine Ursache jedoch unbekannt. Zahlreiche Hinweise deuten allerdings darauf hin, dass überwiegend genetische Faktoren für dieses Krankheitsbild verantwortlich sind. So ist seit langem bekannt, dass das Alter einer Frau bei Eintritt der Menopause mit dem Menopauseneintrittsalter ihrer Mutter korrespondiert. Das gehäufte Auftreten von familiären Fällen sowie Untersuchungen an Zwillingspaaren sind ein weiter Hinweis auf den Einfluss erblicher Faktoren bei diesem Krankheitsbild. Die klassische Untersuchung von Kandidatengenen oder Patienten mit chomosomalen Translokationen erbrachte bis heute keinen weitergehenden Einblick in die Pathogenese der vorzeitigen Menopause. In den meisten Fällen kann betroffenen Frauen keine eindeutige Diagnose ihrer Beschwerden gegeben werden und die Prognose in Hinsicht auf die Fertilität ist sehr schlecht. Eine kausale Therapie ist bisher nicht möglich, lediglich negative Begleiterscheinungen (z.B. Osteoporose) können symptomatisch behandelt werden. Insgesamt bedeutet dies eine sehr unbefriedigende Situation für Patientin und den behandelnden Arzt.
Neue Methoden zur Identifizierung genetischer Defekte bei POF: Durch die Erstellung von Genexpressionsprofilen an Ovargewebe sollen in dieser Studie ursächliche Genefekte identifiziert werden. Dazu werden die Expressionsprofile von unkultiviertem Ovargewebe sowie Granulosa- und Fibroblastenkulturen mithilfe von „whole-genom oligonucleotid arrays“ erstellt und mit denen gesunder Proben verglichen. Die klinische Relevanz von über- oder unterexprimierten Genen wird dann an weiteren betroffenen Patientinnen mittels geeigneter molekulargenetischer Methoden untersucht.
Erste Erfahrungen und Ergebnisse: Die ersten Untersuchungen zeigen, dass genug RNA für die Array-Hybridisierung aus einer Biopsie gewonnen werden kann und die Reproduzierbarkeit der Expressionsprofile aus verschiedenen Versuchen gegeben ist. Erste Tests an Patienten ergaben eine Reihe interessanter differentiell exprimierter Gene. Ein Gen, welches für eine bestimmte Form männlicher Keimzellaplasie verantwortlich ist, zeigt in einem Fall eine schwache Expression im Vergleich zu Kontrollen. Ob dieses Gen auch als Kandidatengen für POF infrage kommt, müssen weitere Untersuchungen zeigen.
Schlussfolgerungen: Das vergleichende „gene expression profiling“ bietet als Methode die Möglichkeit, mehr über die Rolle von genetischen Faktoren bei der Pathogenese von POF zu erfahren. Differentiell exprimierte Gene kommen a priori als Kandidatengene infrage, weitere Untersuchungen und Bestätigung durch andere Methoden sind jedoch zwingend notwendig. Unser Hauptaugenmerk gilt daher interessanten Kandidatengenen sowie Gen- und Proteinfamilien, die in einem funktionellen Zusammenhang mit der Eizell- und Follikelreifung, Apoptoseinduktion sowie hormoneller Regulierung stehen.