Suchttherapie 2003; 4(4): 197-199
DOI: 10.1055/s-2003-45527
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Fit und stark fürs Leben” - Universelle Prävention des Rauchens durch Vermittlung psychosozialer Kompetenzen

“Fit and Strong for Live” - Universal Smoking Prevention by Imparting Psychosocial CompetenciesReiner Hanewinkel1 , Martin Aßhauer2
  • 1Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord), Kiel
  • 2Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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Publication Date:
12 January 2004 (online)

Intervention

Ziel des Spiralcurriculums „Fit und stark fürs Leben” ist die frühzeitige und kontinuierliche Förderung der psychosozialen Kompetenzen von Kindern sowie die Primärprävention des Rauchens. Das Programm basiert auf dem „Lebenskompetenzansatz” (life skills training) [1]. Es besteht aus drei aufeinander aufbauenden Unterrichtsmanualen für die Klassenstufen 1-2, 3-4 und 5-6. Jedes Manual enthält 20 Unterrichtsabschnitte. Die Manuale sind weitgehend unabhängig voneinander konzipiert und können auch dann eingesetzt werden, wenn die Schüler nicht an einer früheren Stufe des Curriculums teilgenommen haben. In allen Manualen werden die nachfolgend skizzierten Lebenskompetenzbereiche altersadäquat umgesetzt:

Selbstwahrnehmung und Einfühlungsvermögen:Durch eine Steigerung des Selbstwertgefühls und des Selbstvertrauens sollen die Kinder unabhängiger von externen Maßstäben werden und infolgedessen auch Gruppendruck besser widerstehen können. Darüber hinaus wird die Empathiefähigkeit der Schüler gefördert. Umgang mit Stress und negativen Emotionen:Hier wird ein effektiverer Umgang mit belastenden Situationen angestrebt. Als Bewältigungstechniken üben die Kinder Problemlösestrategien und Entspannungsverfahren ein. Weiterhin werden Fertigkeiten zum Umgang mit negativen Emotionen vermittelt (Angst, Ärger, Wut, Neid). Kommunikation:Hier sollen die Kinder ihr Repertoire an verbalen und nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten vergrößern. Grundlegende Kommunikationsregeln wie z. B. adäquates Zuhören und Erzählen werden durch spielerische Übungen vermittelt. Ab der 3. Klassenstufe wird sozial kompetentes Kommunikationsverhalten in Rollenspielen eingeübt (z. B. bei der Kontaktaufnahme). Kritisches Denken/Standfestigkeit:Dieser Themenbereich ist vor allem wichtig, um negative Beeinflussungen durch die „peer group” oder durch Medien zu verhindern. In den Klassenstufen 1 und 2 werden zunächst Voraussetzungen wie Selbstwahrnehmungs- oder Kommunikationsfertigkeiten eingeübt. Ab der 3. Klassenstufe werden Standfestigkeit gegenüber Gruppendruck und das selbstsichere Ablehnen von Zigarettenangeboten vermittelt. Problemlösen:Diese Fähigkeit soll langfristig zur Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung beitragen. In den ersten beiden Klassenstufen werden grundlegende Schritte des Problemlösens, wie das Erkennen einfacher Alltagsprobleme und das Benennen verschiedener Handlungsmöglichkeiten, eingeführt. Später lernen die Kinder das Abwägen verschiedener Lösungsmöglichkeiten und die Bewertung von Handlungskonsequenzen. Information/Gesundheitsrelevantes Wissen:Ein Teilziel dieser Dimension ist es, den eigenen Körper besser kennen zu lernen, um so langfristig die Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit zu fördern. Durch das verbesserte Körperbewusstsein soll auch der Grundstein zum Verständnis relevanter Körperfunktionen (Atmung) und schließlich ihrer Beeinflussung durch Tabakkonsum gelegt werden. Ab der 3. Klassenstufe werden ausgewählte Informationen über Schadstoffe des Rauchens und deren gesundheitliche Folgen vermittelt. So erfolgen Schilderungen unmittelbarer negativer Effekte des Rauchens (z. B. gelbe Zähne, schlechter Atem) bzw. Demonstrationen in Form eines „Teerexperimentes”. In diesem Zusammenhang wird auch die Argumentierfähigkeit der Kinder gefördert.

Jede Unterrichtseinheit weist einen einheitlichen Ablauf auf:

Eröffnung: Zu Beginn jedes Unterrichtsabschnittes werden Lieder, „Aufwärmspiele” oder kurze Gesprächskreise vorgeschlagen. Hausaufgabenbesprechung: Bei den Hausaufgaben handelt es sich um kindgerecht gestaltete Selbstbeobachtungsaufgaben - sog. Detektivaufträge. Mit ihrer Hilfe sollen adäquate Verhaltensweisen zusätzlich eingeübt und im alltäglichen Umgang mit anderen schließlich manifestiert werden. Entspannungsteil: Als regelmäßiger Entspannungsbaustein kommen hauptsächlich thematisch zugeschnittene Fantasiereisen sowie Atemübungen zum Einsatz. Hauptthema: In diesem Teil wird gezielt an den Lebenskompetenzen gearbeitet. Mit altersgemäßen Methoden (Interaktionsspiele, Brainstorming, Malen, Singen, Basteln etc.) wird in die jeweiligen Themen eingeführt. Besonderer Wert wird darauf gelegt, den Kindern möglichst oft die Gelegenheit zur handlungsorientierten Einübung der Inhalte zu geben. Darüber hinaus wird häufig in Kleingruppen mit verteilten Rollen gearbeitet (Beobachter - Akteure). Zur Förderung sozialer Kompetenz und Widerstandsfähigkeit gegenüber Gruppendruck werden ab der 3. Klassenstufe komplexere Rollenspiele durchgeführt. Gemeinsamer Abschluss: Die hier vorgeschlagenen Aktivitäten dienen dem Ausklang der jeweiligen Stunde und der Konsolidierung der Lerninhalte.

Um die Unterrichtsvorbereitungszeiten so gering wie möglich zu halten, werden Übungen, Lieder und Spiele in den Manualen detailliert beschrieben; benötigte Materialien liegen als Kopiervorlage bei. Weiterhin wurde auf eine reichhaltige Illustration der Arbeitsmaterialien Wert gelegt. Alle drei Manuale wurden in einem Schulbuchverlag publiziert .

Literatur

  • 1 Botvin G J, Baker E, Dusenbury L. et al . Long-term follow-up results of a randomized drug abuse prevention trial in a white middle-class population.  JAMA. 1995;  273 1106-1112
  • 2 Burow F, Aßhauer M, Hanewinkel R. Fit und stark fürs Leben. 1. und 2. Schuljahr. Persönlichkeitsförderung zur Prävention von Aggression, Rauchen und Sucht Leipzig; Ernst Klett Grundschulverlag 1998
  • 3 Aßhauer M, Burow F, Hanewinkel R. Fit und stark fürs Leben. 3. und 4. Schuljahr. Persönlichkeitsförderung zur Prävention von Aggression, Streß und Sucht Leipzig; Ernst Klett Grundschulverlag 1999
  • 4 Ahrens-Eipper S, Aßhauer M, Burow F. et al .Fit und stark fürs Leben. 5. und 6. Schuljahr. Prävention des Rauchens durch Persönlichkeitsförderung Leipzig; Ernst Klett Grundschulverlag 2000
  • 5 Aßhauer M, Hanewinkel R. Lebenskompetenztraining für Erst- und Zweitklässler: Ergebnisse einer Interventionsstudie.  Kindheit Entwicklung. 2000;  9 251-263
  • 6 Aßhauer M, Hanewinkel R. Lebenskompetenzförderung und Suchtprophylaxe in der Grundschule: Entwicklung, Implementation und Evaluation primärpräventiver Unterrichtseinheiten.  Z Gesundheitspsychol. 1999;  7 158-171
  • 7 Hanewinkel R, Aßhauer M. Fifteen-month follow-up results of a school-based life skills approach to smoking prevention.  Health Educ Res. (in Druck); 
  • 8 Hanewinkel R, Aßhauer M. Effects of a smoking prevention program in primary schools. Tudor-Smith C Working together for better health: tackling tobacco Health Promotion Wales; Cardiff 1999: 179-191
  • 9 Aßhauer M, Hanewinkel R. Prozeßevaluation eines Lebenskompetenztrainings in der Grundschule.  Empir Pädagog. 1998;  12 327-345
  • 10 Tortu S, Botvin G J. School-based smoking prevention: the teacher training process.  Prev Med. 1989;  18 280-289
  • 11 Kröger C, Reese A. Schulische Suchtprävention nach dem Lebenskompetenzkonzept - Ergebnisse einer vierjährigen Interventionsstudie.  Sucht. 2000;  46 209-217

Dr. Reiner Hanewinkel

Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, IFT-Nord

Düsternbrooker Weg 2

24105 Kiel

Email: hanewinkel@ift-nord.de

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