Aktuelle Rheumatologie 2003; 28 - F_12
DOI: 10.1055/s-2003-45076

Das komplette Reiter-Syndrom bei einem 14-jährigen Jungen

S Seyyedi 1, K Minden 1, M Schöntube 1
  • 1II. Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Helios Klinikum Berlin-Buch, Berlin, Deutschland

Das Reiter-Syndrom (Synonym: Okulo-urethro-synoviales Syndrom) wird zu den reaktiven Arthritiden gezählt. Die klassische Symptomentrias Arthritis, Urethritis und Konjunktivitis ist im Kindesalter selten. Die Erkrankung tritt Tage bis Wochen nach einer gastrointestinalen oder urogenitalen Infektion auf. Typische Erreger sind Salmonellen, Chlamydien, Yersinien, Campylobacter, Shigellen und Ureaplasmen. Die Ätiologie und Pathogenese sind nicht eindeutig geklärt. Vermutet wird u.a. eine genetische Disposition (HLA-B27), die infektgetriggert eine persistierende Immunantwort hervorruft.

Wir berichten von einem 14-jährigen Jungen mit dem Vollbild eines Reiter-Syndroms. Eine Woche nach einem gastrointestinalen Infekt mit Durchfall entwickelte unser Patient eine beidseitige Konjunktivitis und Urethritis, nach 2 weiteren Tagen eine Gonarthritis rechts. Bei Aufnahme fanden sich Schwellungen bzw. schmerzhafte Bewegungseinschränkungen von rechtem Knie-, rechtem Sprung- und linkem Hüftgelenk sowie rechtem Mittelfuß, eine beidseitige Konjunktivitis mit Lichtscheu und eine Rötung des Ostium urethrae externum. Laborchemisch konnte eine mäßige Leukozytose mit deutlich erhöhten Entzündungsparametern (C-reaktives Protein 126mg/l, Blutsenkungsgeschwindigkeit 90mm/h, Fibrinogen 9,62g/l) nachgewiesen werden. Die Serologie ergab hochpositive Antikörpernachweise gegen Salmonellen, Chlamydien und Yersinien bei negativen Stuhlkulturen. Bei mäßiger Leukozyturie und Proteinurie war die Urinkultur steril. Der Patient war HLA-B27 positiv. Sonografisch konnten Gelenkergüsse in linker Hüfte, rechtem Knie-, rechtem Sprunggelenk und Mittelfuß sowie eine mäßige Splenomegalie nachgewiesen werden. Das Gelenkpunktat blieb ohne Keimnachweis. Ophthalmologisch wurde eine Keratokonjunktivitis epidemica diagnostiziert. Therapeutisch erhielt unser Patient ein nicht-steroidales Antirheumatikum (Naproxen) und Physiotherapie. Die o.g. akuten Gelenke wurden punktiert mit intraartikulärer Kortikoidinstillation. Die Augen wurden intensiv lokal u.a. mit kortikoidhaltigen Augentropfen behandelt. Auf eine Basistherapie wurde verzichtet. Nach 6 Wochen waren keine Konjunktivitis oder Urethritis mehr nachweisbar, nach 3 Monaten lagen die Entzündungsparameter im Normbereich. Nach 7 Monaten war unser Patient beschwerdefrei.

Die Prognose reaktiver Arthritiden im Kindesalter ist gut. Chronische oder rezidivierende Verläufe werden beschrieben. HLA-B27 ist ein prognostisch ungünstiger Marker. Bei 40% dieser Patienten ist der Übergang in eine Spondylarthropathie zu erwarten.