Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(47): 2493-2496
DOI: 10.1055/s-2003-44321
Übersichten
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vorhofflimmern als Endpunkt bei Studien zur arteriellen Hypertonie

Atrial fibrillation as endpoint in hypertension trialsJ. Jung1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik, Innere Medizin III (Kardiologie/Angiologie) (Direktor: Prof. Dr. M. Böhm), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar
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eingereicht: 10.7.2003

akzeptiert: 23.10.2003

Publication Date:
20 November 2003 (online)

Vorhofflimmern stellt die häufigste anhaltende supraventrikuläre Arrhythmie bei Patienten mit arterieller Hypertonie dar. Das Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, ist bei Patienten mit arterieller Hypertonie um das 1,5fache bei Männern bzw. um das 1,4fache bei Frauen erhöht [13]. Die arterielle Hypertonie ist aufgrund ihrer hohen Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung häufiger mit Vorhofflimmern assoziiert als jeder andere kardiovaskuläre Risikofaktor [14]. Lediglich bei Patienten mit einer fortgeschrittenen kardialen Grunderkrankung und einer Herzinsuffizienz ist das Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, mit bis zu 40 % noch höher. Zu den echokardiographischen Prädiktoren für das Auftreten von Vorhofflimmern zählen neben einer Vergrößerung des linken Vorhofes, eine Abnahme der linksventrikulären Verkürzungsfraktion sowie die Zunahme der linksventrikulären Wanddicke. Diese kardialen Veränderungen können insbesondere auch im Rahmen einer hypertensiven Herzerkrankung auftreten [3]. Im Rahmen der Framingham-Heart-Studie erhobene epidemiologische Daten [22] konnten zeigen, dass erhöhte systolische Blutdruckwerte bzw. eine Erhöhung des Pulsdruckes (Differenz zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck) mit dem Auftreten einer echokardiographisch dokumentierten linksatrialen Dilatation assoziiert sind. In Abb. [1] sind die durch den Hochdruck bedingten pathophysiologischen Veränderungen, die zur Entwicklung von Vorhofflimmern führen, zusammengefasst. Die Dehnung des Vorhofes („atrial stretch”) durch Druck oder Volumen ist ein potenter Stimulus des lokalen atrialen Angiotensin-Aldosteron-Systems. Die Angiotensin-II-vermittelte Aktivierung von MAP-Kinasen führt zu einer Proliferation von Fibroblasten und einer interstitiellen Anhäufung von Kollagen. Diese degenerativen Umbauvorgänge („remodeling”) des Vorhofes werden durch ACE-vermittelte erniedrigte Spiegel von Bradykinin unterstützt [6]. Resultat dieser Veränderungen ist eine zunehmende Fibrose des Vorhofgewebes, die mit einer Inhomogenität der Leitungseigenschaften und einer Leitungsverzögerung einhergehen kann und damit das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigt. Vorhofflimmern selbst kann diese Umbauvorgänge weiter unterhalten und damit zu einer Zunahme der strukturellen Veränderungen des Vorhofes beitragen (Abb. [2]).

Abb. 1 Entwicklung von Vorhofflimmern als Resultat kardialer Veränderungen bei arterieller Hypertonie.

Abb. 2 Mechanismen interstitieller Veränderungen („strukturelles Remodeling”) durch die Aktivierung des atrialen Angiotensin-Aldo-steron-Systems, die das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigen können. ACE = Angiotensin Converting Enzyme; MAPK = Mitogen-Aktivierte Protein-Kinase.

Vorhofflimmern ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität verbunden. Neben einer erhöhten Rate an thromboembolischen Ereignissen, insbesondere an Schlaganfällen, tragen die mit Vorhofflimmern assoziierten kardiovaskulären Begleiterkrankungen und das oft höhere Lebensalter der Patienten zu einer erhöhten Mortalität bei. Das Schlaganfallsrisiko ist bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern im Vergleich zu Patienten im Sinusrhythmus um das 6fache erhöht [4]. In neueren Untersuchungen konnte der Stellenwert von Vorhofflimmern als Risikofaktor für rezidivierende ischämische Schlaganfälle unabhängig vom Lebensalter der Patienten bestätigt werden. Hier war das Risiko rezidivierender Schlaganfälle bei nicht antikoagulierten Patienten um das 2,1fache erhöht [17]. Die arterielle Hypertonie erhöht bei Patienten mit Vorhofflimmern das Schlaganfallsrisiko im Vergleich zu Patienten mit Vorhofflimmern ohne begleitende arterielle Hypertonie um das 1,6fache [18]. Die arterielle Hypertonie stellt somit die bei weitem häufigste Ursache von Vorhofflimmern dar und ist mit einem erhöhtem Risiko thromboembolischer Komplikationen vergesellschaftet.

kurzgefasst: Vorhofflimmern stellt die häufigste anhaltende Arrhythmie bei Patienten mit arterieller Hypertonie dar. Die Prävalenz steigt in höherem Lebensalter bzw. bei fortgeschrittenen kardialen Erkrankungen an. Das bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern bis zu 6fach erhöhte Schlaganfallsrisiko wird bei gleichzeitig vorliegender arterieller Hypertonie zusätzlich um das 1,6fache erhöht.

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