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DOI: 10.1055/s-2003-41338
Schutzimpfung gegen Poliomyelitis - in Deutschland bald entbehrlich?
Zum Beitrag aus DMW 16/2003Publication History
Publication Date:
29 April 2004 (online)
Weder die WHO noch die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) haben die baldige Abschaffung der Poliomyelitis-Impfung empfohlen, aus Gründen, die Razum und Queste [6] ausführlich dargelegt haben. Ergänzend sollte auf Folgendes hingewiesen werden:
1. Es ist das Schicksal jeder erfolgreichen Impfung (s. Pocken), dass der Nachteil der Nebenwirkung (Impfkomplikation) den Vorteil der Hauptwirkung (Schutz vor und Verdrängung der Krankheit) überwiegt und somit die Forderung nach Abschaffung der Impfung laut wird.
Da durch die inaktivierte Poliovakzine (IPV) keine Impfpoliomyelitis verursacht werden kann, war man in Deutschland nicht mehr bereit, die Vakzination mit Impfviren öffentlich zu empfehlen, obwohl aus ökologischer Sicht eine solche Impfung ideal ist. Von Anfang an hat man den Nachteil für die Populationsimmunität gesehen, aber in Kauf genommen [1]. „Neue Erkenntnisse“ liegen nicht vor.
2. Inzwischen wurde das Konzept der Kombinationsimpfung, das sich bei der Bekämpfung von Diphtherie, Pertussis, Tetanus u. a. bewährt hat, für die Eradikation der Poliomyelitis übernommen, so dass auch in Entwicklungsländern eine individuelle Durchimpfung der Bevölkerung zum Aufbau bzw. Erhalt einer Populationsimmunität besser möglich erscheint. Die Kosten der IPV werden mit steigender Produktion rasch sinken.
3. Natürlich besteht die Gefahr einer subklinischen Zirkulation eines Wild- oder mutierten Impfvirus in der IPV-geimpften Bevölkerung. Sie ist jedoch heute viel kleiner als früher, da die WHO ein Netz von leistungsfähigen Laboratorien weltweit aufgebaut hat, das sehr schnell emerging virus diseases erkennt und sogar unbekannte Erreger schnell identifiziert [4] [5]. Bei uns würden „neue“ Polioviren in der Routinediagnostik auf Enteroviren schnell auffallen [2].
4. Bedauerlich ist, dass die Gefahr des Bioterrorismus jedes Infektionseradikationsprogramm in Frage stellt. Andererseits wissen wir, dass es ein unerfüllbarer Traum war und ist, die Menschheit von allen gefährlichen Infektionskrankheiten befreien zu können [3] [4].
Literatur
- 1 Allwinn R. et al . Polioschutzimpfung heute: kritische Anmerkungen. Immun Infekt. 1995; 23 132-133
- 2 Buxbaum S. et al . Enterovirus Infections in Germany. Infection. 2001; 29 38-142
- 3 Doerr H W. Neue Infektionskranheiten durch Viren. Aktuelle Erkenntnisse und Konzepte. Dtsch Med Wochenschr. 1995; 120 37-44
- 4 Ludwig B. et al . Viral Zoonoses - a Threat under Control?. Intervirology. 2003; 46 71-78
- 5 Drosten C. et al . Identification of a Novel Coronavirus in Patients with Severe Acute Respiratory Syndrome. N Engl J Med. 2003; 348 1967-1976
- 6 Razum O, Queste A. Schutzimpfung gegen Poliomyelitis - in Deutschland bald entbehrlich?. Dtsch Med Wochenschr. 2003; 128 882-886
Autoren
Dr. med. R. Allwinn
Prof. Dr. H. W. Doerr
Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum
Paul-Ehrlich-Straße 40
60596 Frankfurt
Phone: 069/63015260
Email: H.W.Doerr@em.uni-frankfurt.de