Zentralbl Chir 2003; 128(6): 457-458
DOI: 10.1055/s-2003-40616
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chirurgie und Blutmanagement

Surgery and blood managementJ. Erhard1
  • 1Klinik für Chirurgie/Viszeral- und Gefäßchirurgie · Evangelisches und Johanniter Klinikum Duisburg, Dinslaken, Oberhausen gGmbH
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. Juli 2003 (online)

Die Transfusion von Blut und Blutprodukten ist eine für den Patienten weitgehend sichere und akzeptierte Therapie geworden. Die Transfusionsmedizin hat sich zu einer klinisch orientierten Disziplin entwickelt. Aspekte der Sicherheit werden u. a. bei den möglichen Übertragungen viraler Erkrankungen deutlich. Die Risiken für den Patienten sind gering, aber vorhanden und bei der Indikation zu berücksichtigen. HIV und Hepatitis C Virus sollten daran erinnern, dass auch Gefahren für bislang nicht bekannte Erreger bestehen bleiben [3].

Ein Mangel an Spenderblut existiert derzeit in Europa nicht [4]. Blutbanken und entsprechende Organisationen können innerhalb kurzer Zeit auf den Bedarf reagieren; allerdings zu immer höheren Kosten, die sich v. a. aus den aufwändigen Testverfahren ergeben [2]. So sind für Europa die Aufwändungen für die Transfusion von Blut und Blutprodukten bereits auf mehr als 5 Mrd. Euro/Jahr zu beziffern [4]. Das Potenzial sinnvoller Einsparungen in diesem Bereich erscheint groß, ist aber nicht grundlegend untersucht. Es bestehen offene Fragen zur Indikation und Effektivität der Bluttransfusion. Den in bislang nur kleinen Fallzahlen bewiesenen Annahmen, die Fremdblutgabe führe zu einer negativen Immunmodulation, zu höheren Raten von postoperativen Infektionen und Tumorrezidiven und sei mit einem wenig kalkulierbaren Risiko von Früh- und Spätreaktionen verbunden, stehen Effekte der Vermeidung der Gewebehypoxie und einer möglichen besseren postoperativen Rekreation der Patienten gegenüber. Zwei europäische Studien haben erhebliche systematische Defizite bei der Indikation und Durchführung der Transfusion von Blut und Blutprodukten belegt [1] [5]. Die bislang existierenden Daten sind unzureichend, um Richtlinien für die Indikation zu erstellen. Dies gilt ebenso für fremdblutsparende Maßnahmen (einschließlich der Eigenblutspende) sowie die aktuell in Studien untersuchten Blutersatzstoffe [3]. Fachspezifisch sind Chirurgie und Onkologie die hauptsächlichen „Verbraucher” von Blut und Blutprodukten. Leitlinien zur Bluttransfusion von verschiedenen Fachgesellschaften - unterstützt durch das Inkrafttreten des Transfusionsgesetzes 1998 - haben durchaus zu einer veränderten Einstellung bei der Indikation zur Bluttransfusion geführt. Zweifellos können heute eine Reihe von großen chirurgischen Eingriffen ohne Blutgaben sicher durchgeführt werden, dank verbesserter Operationstechnik und einem abgestimmten perioperativen Standard in der Patientenversorgung. Es sollte unsere Aufgabe als Chirurgen sein, entscheidenden Einfluss auf die Indikation zur Transfusion von Blut und Blutkomponenten bei den uns anvertrauten Patienten zu nehmen, unbeschadet der fruchtbaren Zusammenarbeit mit den beteiligten Disziplinen, voran der Anästhesie. Neben Engagement und Kompetenz werden valide Daten zur Indikation, zur Sicherheit und zu den Effekten der Transfusion von Blut und Blutprodukten benötigt. Wir sollten aktiv daran arbeiten, durch multizentrische fachübergreifende Studien diese Daten kurzfristig zu erhalten.

Die in diesem Heft vorgelegten Arbeiten sollen das Problembewusstsein für die Bluttransfusion schärfen und konkrete Anregungen für die praktische Umsetzung geben. Ziel ist die Vermeidung unnötiger Bluttransfusionen.

Literatur

  • 1 Baele P, Beguin C, Waterloos H, Dupont E, Lambermont M, Vandermeersch E, Dicker D, Peresino A. The Belgium BIOMED study about transfusion for surgery.  Acta Anaesthesiol Belg. 1998;  49 243-303
  • 2 Cantor B B, Hudson T V, Lichtinger B, Rubenstein E B. Costs of blood transfusion: a process flow analysis.  J Clin Oncol. 1998;  16 2364-2370
  • 3 Goodnough L T, Shander A, Brecher M E. Transfusion medicine: looking to the future.  Lancet. 2003;  361 161-169
  • 4 Hofmann A. Arbeitspapier zum Thema: Mikro- und makroökonomische Betrachtungen zu Kosten und Sparpotenzialen im europäischen Transfusionswesen. Wien 2002
  • 5 The Sanguis Study Group . Use of blood and blood products for elective surgery in 43 European hospitals.  Transfus Med. 1994;  4 251-268

Prof. Dr. Jochen Erhard

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