Erfahrungsheilkunde 2003; 52(7): 443-455
DOI: 10.1055/s-2003-40613
Originalia

Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Homöopathie und Literatur

Liebestragödie und geistige Zerrüttung von Friedrich Hölderlin:
Ein fortdauerndes Gefühl der Zernichtung - Versuch einer homöopathischen Annäherung und Einladung zur erweiterten Diskussion
Michael M. Hadulla
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Publication Date:
16 July 2003 (online)

Zusammenfassung

Einem der größten deutschen Dichter, Friedrich Hölderlin, wird nachgegangen: Seinem Scheitern im beruflichen, im politischen und privaten Bereich, insbesondere auch der Liebestragödie mit Suzette Gontard = seiner Diotima. Die nachfolgende geistige Zerrüttung wird hierdurch verstehbar. Fiktive homöopathische Therapie u.a. mit Ignatia, Natrium muriaticum, Phosphorus, Acidum phoshoricum und dann als Mittel der geistigen Verwirrung Stramonium und Veratrum werden diskutiert.

Summary

One of the greatest German poets was Friedrich Hölderlin. He failed, because of his lovesickness with Suzette Gontard = Diotima and his following mental disease is elaborated. What could be his (fictive) homeopathic treatment: Ignatia, Natrium muriaticum, Phosphorus, Acidum phoshoricum and than in the state of aggressive mental illness: Stramonium and Veratrum.

Literatur

01 Anmerkung: O.g. Autor hat sich auch durch ein ausgesprochen gutes „Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie” hervorgetan, aus Platzgründen kann ich aber nicht allen seinen Gedanken und Darstellungen Raum und Platz geben.

02 „Augenblicke der Unsterblichkeit” hatBeatrix Langner ihr Kapitel überschrieben [[6]].

03 Anmerkung des Verfassers: Beatrix Langner berichtet, dass Suzette Gontard an Röteln gestorben ist. Das stimmt so nicht: An Röteln kann man nur unter der Geburt bzw. prä- und perinatal sterben und/oder unter Immunsuppressiva.Suzette Gontard hatte eine zugrundeliegende Tuberkulose, wobei dann die Rötelinfektion der Auslöser zu dem tödlichen Leiden war.

04 Anmerkung: Autenrieth war ein streng naturwissenschaftlicher Mediziner. Anatomie und Physiologie waren die Gebiete gewesen, mit denen er sich vor seiner Berufung nach Tübingen beschäftigt hatte, er hatte keinerlei Ahnung von psychiatrischen Krankheiten, seine sogenannte Autenriethsche Gesichtsmaske war ein Folterinstrument, um die „Wahnsinnigen” am Schreien zu hindern. Deshalb auch der Passus (s.o.): Gott sei Dank gelangte Friedrich Hölderlin in die Hände des ehrlichen, guten und einfachen Handwerkmeister Zimmer. Gäbe es nur von seiner Sorte auch heute noch mehrere, auch von solchen die Hyperion lesen!

05 Anmerkung: Verfasser meint, dass es durchaus eine gesunde Reaktion war, um endlich eine Art innere Autonomie gegenüber der Mutter zu erkämpfen.

06 Anmerkung: Wenn man die damaligen Handwerksburschen in Tübingen mit den jetzigen Handwerksburschen in Heidelberg vergleicht, so kann man den Zorn von Friedrich Hölderlin meines Erachtens durchaus verstehen.

07 Anmerkung: Wir [[8]] haben seinerzeit den durch perfide Zurücksetzung wahnsinnig gewordenen griechischen Helden Aias aus der Ilias mit Stramonium in Verbindung gebracht.

08 Anmerkung: Bei Stramonium ist das Gesicht gerötet, bei Veratrum dagegen sehr blass mit eingefallenem, schweißigem Gesicht (Fazies hippocratica) und mehr oder weniger ausgeprägter Schwäche. Wobei schon G. Charette [[5]] erwähnt, dass „kalter Schweiß auf der Stirn” das zuverlässigste und konstanteste Charakteristikum für Veratrum ist.

08 Anmerkung: An einer einzigen Stelle in den zahllosen Briefen ist davon die Rede, dass sich Friedrich Hölderlin im Zorn rot verfärbt habe [[3]]: „Früher war er oft rasend, das Blut stieg ihm so in den Kopf, daß er oft ziegelrot aussah und dann alles beleidigte, was ihm entgegen kam. War aber der Paroxismus vorbei, so war er auch immer der erste, welcher die Hand zur Versöhnung bot.”

09 Anmerkung: Der Verfasser war vor Jahren, lange bevor er um die Irrungen, Wirrungen von Friedrich Hölderlin im Hause Gontard wusste, nach Frankfurt eingeladen. Mit der Bahn fuhr er an schrecklich verschmierten Brücken, Bahnwalldämmen, Häusern etc. vorbei. Überall Graffiti in entstellter, verzerrter, verbogener, schriller Form. Wie hässlich, dachte er bei sich. Diese „Schrift und Schmierereien” nahmen zu, denn die Wahrzeichen der in Beton gegossenen Frankfurter Skyline, als Zeichen der Wahren-Welt. Dann die Treppen vom Hauptbahnhof zum Zentrum: hellrote, frische Bluttropfen, Spritzen, Kanülen der Heroin- und Drogenabhängigen. Kalte, desinteressierte Blicke und an einer Betonmauer endlich ein Sprayer, der sich erinnert und es benennt: „Die Mauern stehn sprachlos und kalt.” Ich hätte gerne dazu gesprayt: „Im Winde klirren die Fahnen.”

Korrespondenzadresse

Dr. med. Michael Hadulla

Heiliggeiststr. 9

69117 Heidelberg