Laryngorhinootologie 2003; 82(6): 438-439
DOI: 10.1055/s-2003-40535
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Kausalität zwischen NS-Verfolgung und Tod infolge eines Mundhöhlenkarzinoms

Landgericht Trier, Urteil vom 16. 11. 2000 - 6 O (WG) 201/95Causal Connection Between NS-Persecution and Death Through Carcinoma of the Oral CavityO.  Walter, A.  Wienke
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Publication Date:
09 July 2003 (online)

Sachverhalt

Die Klägerin begehrte vom beklagten Land Rheinland-Pfalz, Amt für Wiedergutmachung, eine Hinterbliebenenrente nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Dieses Gesetz billigt auch den Hinterbliebenen eines vom NS-Regime Verfolgten eine Rente zu, wenn dieser aufgrund einer Gesundheitsschädigung verstorben ist, die ihm durch die NS-Verfolgung zugefügt worden ist.

Der im Jahre 1919 geborene Ehemann der Klägerin wurde in der NS-Zeit verfolgt und in Ghettohaft deportiert. Dort erkrankte er wiederholt an Lungenentzündungen und eitrigem Schnupfen. Nach seiner Befreiung im Jahre 1945 wurde er wegen einer Lungenentzündung stationär behandelt, wobei zusätzlich eine durchgemachte Lungentuberkulose festgestellt wurde. Nach seiner Übersiedelung nach Israel erfolgten mehrere Operationen wegen einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung. In den 60er-Jahren wurden HNO-ärztlicherseits eine chronisch-vasomotorische Rhinitis, Septumdeviation, chronische Sinusitis maxillaris mit endonasaler Polyposis und chronischer Pharyngo-Laryngo-Tracheitis festgestellt. 1986 erfolgte wegen eines Zungenkarzinoms eine Zugenteilresektion mit Halsresektion sowie eine Strahlentherapie.

Nach Übersiedelung in die USA wurde 1993 ein Tumorrezidiv (Plattenepithelkarzinom) im Bereich des Mundbodens festgestellt. Es erfolgte wiederum eine Tumorresektion mit Zungenteil- und Unterkieferteilresektion. In gleicher Sitzung wurde eine Tracheostomie durchgeführt. Der Operationsdefekt im Unterkiefer und Mundboden wurde mit einem mikrovaskulär anastomosiertem osseokutanem Fibulatransplantat rekonstruiert. Sechs Monate später wurden vier Titanium-Implantate in dem rekonstruierten Unterkiefer verankert. Im November 1994 wurde der Ehemann der Klägerin mit zunehmender Luftnot stationär aufgenommen. Bei stridoröser Atmung wurde unmittelbar tracheotomiert. Das vormalige Tracheostoma war zwischenzeitlich verschlossen worden. Im Bereich der Halsweichteile wurde ein Tumorrezidiv histologisch gesichert, das sich jedoch als inoperabel erwies. Der Ehemann der Klägerin wurde daher mit Medikamenten zur Analgesie entlassen und verstarb Ende 1994 infolge zunehmender Atemwegsobstruktion. Als Todesursache wurde Herzkreislaufversagen infolge Pneumonie wegen Bronchialkarzinom angegeben.

Versorgungsrechtlich wurde dem Ehemann der Klägerin als Verfolgungsleiden eine vegetative Dystonie mit funktionellen Atmungsbeschwerden (asthmoide Bronchitis) sowie chronisch-entzündliche Veränderungen der oberen Luftwege einschließlich chronischer Kieferhöhlenentzündung beiderseits bescheinigt. Die Klägerin beantragte Witwenrente und behauptete, ihr Ehemann sei an seinem Verfolgungsleiden, nämlich an den Folgen der chronisch-entzündlichen Veränderung der oberen Luftwege verstorben.

Das beklagte Land trat dem entgegen und bestritt die Kausalität zwischen den Verfolgungsleiden und dem Versterben des Ehemannes der Klägerin.

O. Walter,
Dr. A. Wienke

Wienke & Becker - Köln

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