Sprache · Stimme · Gehör 2003; 27(2): 82-87
DOI: 10.1055/s-2003-40255
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Emotionale Ursachen von Kommunikationsstörungen bei Kindern

Emotional Causes of Communication Disorders in ChildrenE. Seifert1 , J. Kollbrunner1 , A. Zimmermann1 , M. Huber Wüthrich1
  • 1Station Phoniatrie (Ärztlicher Leiter PD Dr. E. Seifert) der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Hals-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Hör-, Stimm- und Sprachstörungen (Direktor Prof. Dr. R. Häusler).
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Publication Date:
25 June 2003 (online)

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Zusammenfassung

Ausgehend von dem technischen Begriff der „Kommunikation” mit den drei Teilen „Sender - Botschaft - Empfänger” kann bei der menschlichen Kommunikation der Sachaspekt der Botschaft von dem Selbstoffenbarungsaspekt des Senders, dem Beziehungsaspekt und dem Appellaspekt unterschieden werden. Wenn Störungen der Sprache, des Sprechens oder der Stimme auftreten, müssen diese Aspekte der menschlichen Kommunikation berücksichtigt werden und in den Zusammenhang mit dem subjektiven Störungsbewusstsein und den biografisch verankerten Kommunikationserfahrungen der Patienten gestellt werden. Dieses wird am Beispiel der kindlichen Dysphonie erläutert. Als hauptsächliche nichtorganische Ursache der kindlichen Dysphonie gilt die Stimmüberlastung. Kinder mit einer Dysphonie sind häufiger ängstlich, aggressiv, emotional instabil, sie sind unreifer als ihre Altersgenossen. Hier stellt sich die Frage, warum das Kind seine Stimme überlastet; die Dysphonie wird damit zum Symptom. Die kontrovers diskutierte Frage, ob im Kindesalter eine Stimmtherapie indiziert ist oder nicht, gewinnt in dem Moment eine andere Bedeutung, wenn nicht das Symptom „Heiserkeit” behandelt wird, sondern die hinter der Störung liegende Verursachung. Gleichermaßen können auch andere Kommunikationsstörungen, wie z. B. das kindliche Stottern oder auch die Spracherwerbsstörung, als Symptome angesehen werden. Werden die möglicherweise hinter den Kommunikationsstörungen liegenden Konflikte berücksichtigt, kann der Weg - neben der rein symptomorientierten Therapie - frei werden für eine ganzheitliche Behandlung der Kinder und ihrer Familien.

Abstract

The technical concept of „communication” consists of three parts „transmitter - message - receiver”. Human communication, however, is accomplished by a self-disclosure of the transmitter, a relational aspect and an appealing aspect. In patients with speech, language or voice disorders, these specifically human aspects have to be taken into account especially in the context of self-awareness of disturbance and sociobiographic history. This concept is illustrated with the example of infant dysphonia. Vocal misuse is regarded as the main non-organic cause of dysphonia in childhood. Children suffering from dysphonia are often more anxious, aggressive, emotionally unstable, and less mature than their healthy peers. If we now ask why the child overstrains its voice, the dysphonia must be considered as a symptom rather than a disease. It is controversially discussed whether or not a child should undergo voice therapy. The concept of underlying psychosocial cofactors now lets us turn to early intervention in children with dysphonia. Generalizing this concept, other communication disorders, e. g. stuttering in preschool children or disturbed development of speech and language, may also be regarded as symptoms. If the emotional conflict which potentially underlies the communication disorder is taken into consideration, the way is opened up for holistic therapy of the children and their families in addition to purely symptom-oriented therapy.