Viszeralchirurgie 2003; 38(3): 180-183
DOI: 10.1055/s-2003-40022
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tumorerkrankung, Thromboserisiko und Thrombose - was ist zu tun?

Cancer, Risk of Thrombosis, and Thrombosis - How to Proceed?J.  Fahlke1 , H.  Lippert1
  • 1Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. H. Lippert) Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
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Publication Date:
18 June 2003 (online)

Trousseau berichtete 1865 erstmals über die enge Assoziation von Krebs und Thrombose [7]. Seitdem ist das Problem vermehrt auftretender Thrombosen bei malignen Erkrankungen bekannt. Im klinischen Alltag muss man bei Krebspatienten in etwa 15 % mit einer thromboembolischen Komplikation rechnen.

In einer großen Sektionsstatistik bei 1505 Obduktionen von Patienten mit maligner Tumorerkrankung wiesen 607 Verstorbene entweder eine tiefe Venenthrombose, eine Lungenembolie oder beides auf (40,3 %) [8].

In einer Vergleichsgruppe ohne Malignom (2720 Patienten) war nur bei 31,7 % ein thromboembolisches Ereignis nachweisbar.

In einer anderen Autopsiestudie lag die Häufigkeit einer Lungenembolie in Abhängigkeit von der Lokalisation des Primärtumors in einem Bereich zwischen 10 und 35 % [6].

Die Ursachen der durch die maligne Tumorkrankheit ausgelösten Thrombose ist komplex und häufig multifaktoriell bedingt. Prinzipiell gelten auch bei Tumorpatienten die 3 in der Virchow'schen Trias zusammengefassten Ursachen: Änderung der Blutströmung, Änderung der Blutzusammensetzung und Veränderungen im Bereich der Gefäßwand.

Alle 3 Faktoren treten häufig bei malignen Tumoren in Kombination auf, so dass sich allein schon daraus die erhöhte Gefahr der Ausbildung einer Thrombose im Rahmen einer malignen Grundkrankheit erklären lässt. Darüber hinaus gibt es jedoch bei Tumorpatienten einige charakteristische Pathomechanismen, die über die Virchow'sche Trias hinaus einen Zustand der Hyperkoagulabilität auslösen bzw. unterhalten. Untersuchungen an Tumorzelllinien ergaben einige tumorspezifische prokoagulatorisch wirksame Aktivitäten, z. B. den Gewebsfaktor (Tissue-Faktor), der dem Gewebsthromboplastin entspricht und bei vielen Tumoren meist kontinuierlich freigesetzt wird und über den Faktor VII das extrinsische Gerinnungssystem aktiviert. Die Konzentration des Gewebefaktors ist in Tumoren höher als in analogem gesunden Gewebe. Zum anderen kommt dem Faktor-X-Aktivator bei der Thrombophilie von Tumorpatienten große Bedeutung zu. Dieser wird auch als Cancer-Prokoagulant A bezeichnet und entspricht einer Serinprotease. Die Besonderheit dieses Aktivators liegt darin, dass er direkt Faktor X aktivieren kann, d. h. unabhängig vom Faktor VII und dem extrinsischen System die Gerinnungskaskade in Gang setzt. Beide Faktoren werden als „Cancer-Prokoagulants” bezeichnet und haben eine zentrale Bedeutung für das gehäufte Auftreten von Thrombosen bei Tumorpatienten [1]. Zusätzlich besitzen auch Zytokine, die entweder durch die Tumorzellen selbst oder im Rahmen von Abwehrfunktionen, z. B. durch tumorinfiltrierende Makrophagen, freigesetzt werdenn große Bedeutung bei der Entwicklung der Tumorthrombophilie. Beispielhaft sei hier die beschriebene Freisetzung des Tumornekrosefaktors A zur Stimulierung des Monozyten-Makrophagen-Systems und die durch nachfolgende Expression von Gewebefaktor erfolgende Aktivierung des extrinsischen Systems angeführt [1]. Die derzeit nachgewiesenen tumorinduzierten thrombogenen Effekte sind in Tab. [1] dargestellt.

Fakt ist also, dass bei Tumorpatienten aufgrund der angeführten Gründe gehäuft mit Thrombosen zu rechnen ist. Prinzipiell ergeben sich 2 Fragestellungen bei der Behandlung von Tumorpatienten:

Sollte eine Thromboseprophylaxe bei jedem Tumorpatienten durchgeführt werden? Wie sollte in Kenntnis der bestehenden Thrombophilie die Behandlung einer aufgetretenen Thrombose beim Tumorpatienten und die sich anschließende sekundäre Prävention durchgeführt werden?

Literatur

  • 1 Hiller E. Thrombosegefahr für onkologische Patienten?.  Dtsch Med Wschr. 1999;  124 511-513
  • 2 Jilma B, Kamath S, Lip G. Antithrombotic therapy in special circumstances. I-pregnancy and cancer.  BMJ. 2003;  326 37-40
  • 3 Johnson M J. Bleeding, Clotting, Cancer. Clin Oncol 1997: 294-301
  • 4 Monreal M, Lafoz E, Olive A, del Rio L, Vedia C. Comparison of subcutaneous unfractionated heparin with a low molecular weight heparin (Fragmin) in patients with venous thromboembolism and contraindication to coumarin.  Thromb Haemost. 1994;  71 7-11
  • 5 Partsch H, Köhn H, Mostbeck A. Verändertes Behandlungskonzept bei der tiefen Beinvenenthrombose.  Münch med Wschr. 1999;  141 28-32
  • 6 Svendsen E, Krawinsky B. Prevalence of pulmonary embolism at necropsy in patients with cancer.  J Clin Pathol. 1989;  42 805-809
  • 7 Trousseau A. Phlegmasia alba dolens. Clinique medicale de I'hotel-Dieu de Paris.  The New Sydenham Society, London. 1865;  3 94-96
  • 8 Wegmann D. Paraneoplastische Thrombose. Eine mortalitätsstatistische Untersuchung.  VASA. 1981;  10 111-113

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Jörg Fahlke

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Leipziger Straße 44

39120 Magdeburg

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