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DOI: 10.1055/s-2003-39573
Interaktionen von Topiramat und Kontrazeptiva mit Methadon
Drug Interaction of Topiramate and Contraceptive Medication with MethadonePublication History
Publication Date:
28 May 2003 (online)
Methadon wird vor allem von Cytochrom P 450 3A4 (CYP 3A4) abgebaut. Substanzen, die die Synthese diese Enzyms induzieren wie z. B. Äthanol lösen bei längerem Gebrauch bei Substituierten ein Entzugssyndrom aus. Solche, die es hemmen, z. B. Fluvoxamin, Nefazodon und Ketoconazol, verstärken und verlängern die Methadonwirkung, führen aber beim Absetzen zu einem Entzugssyndrom. Im Folgenden werden zwei neue Interaktionen dieser Art beschrieben:
Ein langjährig beigebrauchsfreier Methadonpatient meiner Praxis, den ich im September 2000 einschleichend auf Topamax (Topiramat®) bis zu einer Maximaldosis von 400 mg/die einstellte, klagte bereits nach einer Woche unter lediglich 50 mg/die über nächtliches Schwitzen und vorzeitiges Erwachen. Deshalb nahm er sein Methadon (welches er für eine Woche mitbekam) zunehmend früher am Morgen ein. Schließlich setzte das Entzugssyndrom schon am Abend ein, so dass er kaum noch schlafen konnte. Nach dem Absetzen verschwanden diese Beschwerden innerhalb weniger Wochen vollständig.
Offenbar reicht die enzyminduzierende Wirkung von Topiramat also aus, um es für die Verwendung bei Methadonpatienten zu disqualifizieren. Dies, obwohl ihm ein weitgehendes Fehlen von Wechselwirkungen mit anderen Antiepileptika nachgesagt wird. Es steht damit in einer Reihe mit Primidon, Phenytoin und Carbamazepin, die aus demselben Grund für Methadonpatienten ungeeignet sind. Stattdessen können Valproat, Lamotrigen, Gabapentin oder Levetiracetam eingesetzt werden [1].
Beim zweiten Fall handelt es sich um eine Patientin, die seit längerem den Ovulationshemmer Microgynon® (L-Norgestrel 150 mcg, Ethinylestradiol 30 mcg) erhielt, als sie von mir im Januar 2001 auf Methadon eingestellt wurde. Einige Zyklen später war sie beigebrauchsfrei und es zeichnete sich ab, dass sie jedes Mal während der Einnahmepause ein ausgeprägtes Entzugssyndrom entwickelte. Umsetzen auf Lovelle® (Desogestrel 150 mcg, Ethinylestradiol 20 mcg) besserte dieses Problem zufrieden stellend (aber nicht vollständig!). Der Grund ist wahrscheinlich, dass Ethinylestradiol CYP 3A4 hemmt und in Lovelle® niedriger als in Microgynon® dosiert ist [2]. Gestagene haben zwar in vitro denselben Effekt, er scheint aber in vivo nicht relevant zu sein [3 5]. Zudem hemmen sie CYP 3A4 irreversibel, was bedeutet, dass der Effekt beim Absetzen nur langsam abklingen und somit allenfalls ein abgeschwächtes Entzugssyndrom auslösen sollte [5].
Die Mindestdosis von Östrogenen in Ovulationshemmern auf dem deutschen Markt ist 20 mcg Ethinylestradiol. Sie ist außer in Lovelle® in Desmin® 20 (gleiche Zusammensetzung), Eve® (+ Norethisteron 500 mcg), Leios® und Miranova® (+ Levonorgestrel 100 mcg) enthalten. Sollten Gestagene doch einen relevanten Effekt haben, dürfte dieser nach Dosierung und In-vitro-Befunden bei Eve® stärker und bei Leios®/Minerva® schwächer ausgeprägt sein als bei Lovelle®/Desmin® 20 [5]. Der einzige hierzulande vertriebene Ovulationshemmer mit einem anderen Östrogen enthält 80 mcg Mestranol, das aufgrund seiner ähnlichen Struktur, aber höheren Dosierung in dieser Hinsicht ungünstiger sein dürfte. Reine Gestagenpräparate (Cerazette®, Exlutona®, Microlut®, Mikro-30 Wyeth®, 28 mini®) sollten hingegen keine derartigen Effekte haben.
Allerdings ist auch Methadon selbst ein Enzyminduktor und könnte theoretisch die Wirksamkeit niedrig dosierter Ovulationshemmer beeinträchtigen. Dies geschieht wohl nur deshalb nicht, weil Opiate die Ausschüttung von LH und FSH hemmen und von Prolaktin stimulieren und auf diese Weise selbst ovulationshemmend wirken [6].
Unbeachtet blieb die Interaktion zwischen Ovulationshemmern und Methadon bisher vermutlich vor allem aus zwei Gründen: erstens, weil Patientinnen und Ärzte Entzugssymptome während der Einnahmepause mit Menstruationsbeschwerden verwechseln; zweitens, weil der Effekt interindividuell stark variiert. Eine der fünf (von insgesamt 41) Methadonpatientinnen unserer Praxis, die derzeit Ovulationshemmer nehmen, hatte mit dem höher dosierten Präparat Diane 35® keinerlei Probleme. Zwei setzten höher dosierte Ovulationshemmer (Biviol®, Yasmin®) wegen fraglicher menstrueller Entzugssyndrome sofort ab, als dies von uns angesprochen wurde, so dass eine Überprüfung nicht möglich war. Zwei sind mit Lovelle® beschwerdefrei.
Literatur
- 1 Strolin B enedetti M. Enzyme Induction and Inhibition by new Antiepileptic drugs: a Review of Human Studies. Fundam Clin Pharmacol. 2000; 14 301-319
- 2 Shenfield G M, Griffin J M. Clinical Pharmacokinetics of Contraceptive Steroids - An Update. Clin Pharmacokinet. 1991; 20 15-37
- 3 Orme M, Back D J, Ward S. et al . The Pharmacokinetics of Ethinylestradiol in the Presence and Absence of Gestodene and Desogestrel. Contraception. 1991; 43 305-316
- 4 Balogh A, Gessinger S, Svarovsky U. et al . Can Oral Contraceptive Steroids Influence the Elimination of Nifedipine and its Primary Pyridine Metabolite in Humans?. Eur J Clin Pharmacol. 1998; 54 729-734
- 5 Kuhl H. Comparative Pharmacology of Newer Progestogens. Drugs. 1996; 51 188-215
- 6 Reisine T, Pasternak G. Opioid Analgesics and Antagonists. Hardman JG, Limbird LE Goodman & Gilman’s. The Pharmacological Basis of Therapeutics New York, St. Louis et al; McGraw Hill 1996: 521-555
Joachim F. Grüner
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