Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(20): 1124-1128
DOI: 10.1055/s-2003-39257
Übersichten
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Obstruktive Schlafapnoe, autonome Dysfunktion und kardiovaskuläres Risiko

Obstructive sleep apnea, autonomic dysfunction and cardiovascular riskU. Koehler1 , H. F. Becker1 , V. Gross1 , T. Penzel, J. H. Peter1 , C. Vogelmeier1
  • 1Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin (Direktor: Prof. Dr. C. Vogelmeier), Philipps-Universität Marburg
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Publikationsverlauf

eingereicht: 12.9.2002

akzeptiert: 10.3.2003

Publikationsdatum:
15. Mai 2003 (online)

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Schlaf, autonome Funktion und Herz-Kreislauf-System

Die isolierte Betrachtungsweise eines Organs oder Organsystems ist unter pathogenetischen Gesichtspunkten mitunter wenig sinnvoll und hilfreich. So können vor allem Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie der Atmung zu vielfältigen Systemreaktionen und Auswirkungen auf den Gesamtorganismus führen. Das Verständnis um die Komplexität und die funktionelle Verknüpfung von Organsystemen kann dem Kliniker helfen, Risikopatientengruppen zu erkennen und verbesserte Behandlungsstrategien zu entwickeln. Dass auch Schlaf und Wachheit einen modulierenden Einfluss auf die funktionelle Integrität der Organsysteme Herz-Kreislauf und Atmung haben, ist in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend offensichtlich geworden.

Schlaf als zyklisch strukturierter Prozess ist ein Zustand aktiver autonomer Regulation. Er beeinflusst die autonomen Funktionen von Atmung und Kreislauf direkt und moduliert ihre Wechselwirkung. Autonome Funktionen werden in charakteristischer Weise durch die Schlafdynamik beeinflusst. Die synchrone Erfassung multipler Messparameter hat in den letzten Jahren die Relevanz der wechselseitigen Abhängigkeiten erkennen lassen. Blutdruck- und Herzrhythmusveränderungen sind nicht nur als Einzelparameter im Zeitverlauf interpretierbar, sondern gleichzeitig auch in Kombination mit interagierenden Messgrößen wie Atmung, Sauerstoffsättigung oder zentralnervöser Aktivierung.

Sowohl unter physiologischen als auch pathophysiologischen Bedingungen stehen kardiovaskuläres System, Lunge und autonomes Nervensystem in beständiger Kommunikation. Das autonome Nervensystem gewährleistet über die Integration kardiopulmonaler Reflexe eine adäquate Perfusion und Oxygenierung der Körperorgane. Baro-, Chemo- und pulmonale Dehnungsrezeptoren spielen bei der Feinregulation von Atmung, Blutdruck und Herzfrequenz eine wichtige Rolle. Schlaf und Wachsein können modulierend auf das funktionelle Netzwerk von Atmung und Herz-Kreislauf einwirken. Im umgekehrten Sinne können kardiovaskuläre oder pulmonale Erkrankungen zu Schlaf- oder Wachstörungen führen.

Die folgende Übersichtsarbeit hat das Ziel, dem Leser einen Überblick über die immer noch wenig bekannten Zusammenhänge von schlafbezogener Atmungsstörung (obstruktiver Schlafapnoe) und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zu geben.

kurzgefasst: Schlaf und Wachsein haben einen modulierenden Einfluss auf die funktionelle Integrität der Organsysteme. Im umgekehrten Sinne bedingen Erkrankungen von Herz und Lunge eine Beeinträchtigung der Funktionszustände Schlaf und Wachsein.