Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2003-37778
Editorial
EditorialPublication History
Publication Date:
12 March 2003 (online)
Die Notfallmedizin als interdisziplinäre und multiprofessionelle Aufgabe ist immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen über optimale Strategien und über die Bewertung aktueller Entwicklungen in der täglichen Praxis. Mehr als in vielen anderen Bereichen der Medizin muss sich der Fortschritt in der präklinischen Rettungsmedizin an den speziellen Rahmenbedingungen dieses Arbeitsbereichs orientieren und fordert nicht selten das ganze Können der beteiligten Einsatzkräfte.
Die aktuellen Entwicklungen von Empfehlungen zum „richtigen” Vorgehen im Rettungsdienst nach der Jahrtausendwende spiegeln sich in zwei neuen Aspekten wieder. Zum einen muss auch die Notfallmedizin sich zunehmend der Frage stellen, auf welcher wissenschaftlichen Basis Therapieempfehlungen wie auch Einsatzstrategien gründen. Zum anderen findet sich in vielen Bereichen eine Rückbesinnung auf Wesentliches im Sinne einer Bewegung „vom Maximalen zum Optimalen”. Beide Aspekte fordern von allen Beteiligten die kritische Diskussion der eigenen, täglichen Arbeit und sicherlich in der Zukunft auch manche Abkehr von liebgewordenen Traditionen.
Ziel aller Bemühungen ist das bestmögliche Outcome des Notfallpatienten. Hierzu sollte an allen Stellen die Suche nach Entwicklungspotentialen intensiviert werden. Der Rettungsdienst wie auch der klinische Notfallmediziner muss dabei auf alle denkbaren Ereignisse vorbereitet sein, auch wenn sie selten und zu ungünstigen Zeiten auftreten. So wird mehr denn je heute hinterfragt, welchen Stellenwert die präklinische Versorgungszeit im Verhältnis zum Umfang innerklinischer Therapieversuche haben sollte. Dennoch fehlt es vielerorts an klaren Strukturen, die notfallmedizinische Prozesse definieren und evaluieren. Während innerklinisch Belege für die Richtigkeit von Diagnose und Therapie gefordert werden, befinden sich ärztliche wie auch nichtärztliche Rettungsmediziner auch heute noch oft in einem von Empirie geprägten und der Kontrolle entzogenen Freiraum.
Die nachfolgenden Beiträge beschäftigen sich in prägnanter und praxisrelevanter Darstellung mit aktuellen Themen gleichermaßen wie mit selteneren, aber deshalb nicht unbedeutenden Situationen.
In dem Beitrag von G. Geldner und U. Schwarz wird in einer gelungen Übersicht die derzeitige Diskussion um den notwendigen und sinnvollen Behandlungsumfang beim Polytrauma dargestellt. Auf der Basis der bis heute nur begrenzt vorliegenden Daten empfehlen die Autoren eine klare Zeitbegrenzung für präklinische Maßnahmen bis hin zur eingeschränkten Therapie bei spezifischen Problemen.
Erkenntnisgewinn im Bereich der Reanimation führte zu deutlichen Änderungen manchesmal traditionsbehafteter Strategien bei der medikamentösen Therapie wie auch bei grundlegenden Arbeitsabläufen in der Praxis. In der Arbeit von C. Kill sind die wesentlichen Entwicklungen zusammengefasst, die jedem akutmedizinisch tätigen heute bekannt sein müssen.
H. A. Adams beschreibt die Pharmakologie von S-Ketamin und das Anwendungsprofil in der Notfallmedizin. Hier finden sich neben gut verständlichen Grundlagen klare Handlungskonzepte wie auch Dosierungsempfehlungen für die tägliche Praxis, die dem Notfallmediziner in vielen Fällen weiterhelfen werden.
Th. Luiz et al. beschäftigen sich mit der Bedeutung der small-volume-resuscitaition beim hypovolämen Schock. Neben der Beschreibung der pathophysiologischen Grundlagen erfolgt eine Bewertung auf der Grundlage umfassender Daten. Die Autoren folgern hieraus, dass die Anwendung hyperosmolar-hyperonktischer Lösungen bei entsprechender Indikation grundsätzlich sinnvoll ist, wenngleich die Inzidenz entsprechender Ereignisse zunehmend geringer wird.
Die medizinischen und rettungstechnischen Strategien beim Lawinenunglück werden von F. Ploner differenziert und dennoch praxisorientiert erläutert. Aufgrund der Faktoren „Hypothermie durch Expositionszeit” und „Sauerstoffmangel durch Verschütten” ergibt sich die Prognose für den einzelnen. Für die Praxis wird ein Algorithmus angefügt, der auch dem Unerfahrenen klare Entscheidungen ermöglicht.
U. van Laak zeigt die Gefahren des Sporttauchens auf und erläutert die Entstehungsmechanismen typischer Zwischenfälle. Neben den bekannten Maßnahmen der cardiopulmonalen Reanimation werden die spezifischen Therapieschritte durch den Rettungsdienst aufgezeigt, die die Voraussetzung für eine erfolgreiche Weiterbehandlung in speziellen Zentren darstellen.
Wir hoffen, mit diesen Beiträgen die eine oder andere Wissenslücke schließen zu können sowie den Dialog über Sinn und Unsinn von Maßnahmen in der präklinischen Notfallsituation zu beleben.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Clemens Kill
Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie Klinikum der Philipps-Universität
Boldingerstraße
35033 Marburg