Laryngorhinootologie 2003; 82(2): 141-142
DOI: 10.1055/s-2003-37724
Aktuelle Habilitation
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Zusammensetzung und Reaktion des Schleimhautimmunsystems im Mittelohr, in der Tuba Eustachii und im Kehlkopf der Ratte

Construction and Reaction of the Mucosa-Associated-Lymphatic Tissue (MALT) in the Middle Ear, the Tuba Eustachii and the Larynx of the RatP.  Jecker1
  • 1HNO-Klinik Universität Mainz, Mainz
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 March 2003 (online)

Eine entscheidende Rolle bei der Abwehr akuter Infektionen von Mittelohr und Kehlkopf kommt dem Schleimhautimmunsystem (MALT = Mucosa-Associated-Lymphatic-Tissue) zu. Es besteht aus intra- und subepithelial lokalisierten Granulozyten, Makrophagen, Antigen-präsentierenden Dendritischen Zellen (DC), Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) sowie T- und B-Lymphozyten. DC gelten dabei als die potenteste Subpopulation, die Antigen aufnimmt, prozessiert und anschließend an T-Lymphozyten präsentiert.

Obwohl bekannt ist, dass dem Schleimhautimmunsystem eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Bakterien und Viren zukommt, ist nur wenig über den Aufbau und die Reaktion in Mittelohr, Eustachscher Tube (ET) und Larynx bekannt. Das systematische Studium seiner Zusammensetzung und Reaktion bedeutet neue Erkenntnisse über pathophysiologische Mechanismen dieser Organe.

Deshalb wurde in den vorliegenden Studien zunächst die Zusammensetzung des Schleimhautimmunsystems im gesunden Mittelohr und ET der Ratte untersucht. Es zeigte sich, dass vor allem DC, ähnlich wie in anderen Schleimhäuten, in der gesunden Schleimhaut von Mittelohr und ET in hoher Zahl vorkommen und zusammen mit Makrophagen ein Netzwerk innerhalb dieser Schleimhäute bilden. Im Gegensatz hierzu waren nur sehr wenige NK-Zellen und T- sowie B-Lymphozyten nachweisbar. Granulozyten konnten in der gesunden Mittelohr- und Tubenschleimhaut erwartungsgemäß nicht nachgewiesen werden. Anschließend wurde die Zusammensetzung während einer experimentell induzierten akuten Otitis media (AOM) untersucht. Hierzu wurde bei den Tieren zunächst der weiche Gaumen gespalten, was der klinischen Situation bei Patienten mit Gaumenspalte entspricht. Die immunhistologische Aufarbeitung der so mit E. coli, Enterokokken, Proteus, Streptokokken sowie Staphylokokken infizierten Mittelohren zeigte, dass die Zahl aller untersuchten Subpopulationen in der infizierten Schleimhaut anstieg. Neben den Granulozyten stieg vor allem die Zahl der DC massiv an, was ihre zentrale Stellung während der Immunantwort auch in diesem Organ bestätigt. Parallel zur Mittelohrschleimhaut kam es zu einem ähnlichen Muster des Zellanstiegs in der Tubenschleimhaut, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Immunantwort bereits in der ET initiiert wird. Entsprechend muss neben der Mittelohrschleimhaut auch die Schleimhaut der ET zum MALT gezählt werden.

Die Herkunft dieser Immunzellen ist unbekannt. Deshalb wurden in der vorliegenden Arbeit lokale Proliferation und Zelleinwanderung mit Hilfe der BrdU-Technik (5-bromo-2-deoxyuridine) untersucht. Dabei zeigte sich, dass immunkompetente Zellen zunächst in die Mittelohrschleimhaut einwandern. Zusätzlich besitzen die untersuchten Zellen auch eine hohe Kapazität zur lokalen Proliferation in der Mittelohrschleimhaut und der Tubenschleimhaut während der AOM. So war beispielsweise die lokale Proliferation von T- und B-Lymphozyten in der infizierten Mittelohrschleimhaut größer, als in primären lymphatischen Organen wie Milz oder Lymphknoten bei gesunden Kontrolltieren.

Verglichen mit dem Mittelohr liegen für die Larynxmukosa noch weniger Daten über Zusammensetzung und Funktion des lokalen Immunsystems vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kehlkopf funktionell-anatomisch sowie klinisch in drei Ebenen unterteilt werden kann: Die supraglottische Region, die Glottisebene und die subglottische Region. Dabei können Infektionen wie die akute Laryngotracheitis zu einer isolierten subglottischen Schwellung führen, während die benachbarte Glottisregion kaum befallen ist. Die Ursache für die unterschiedliche Reaktion zweier direkt benachbarter Kehlkopfregionen ist unbekannt.

Deshalb wurde zunächst die Zusammensetzung des Immunsystems der Larynxschleimhaut in seinen unterschiedlichen Regionen in der gesunden Ratte untersucht. Hierbei zeigte sich, dass die Kehlkopfschleimhaut viele Makrophagen und DC, aber wenige NK-Zellen, T- und B-Lymphozyten enthält. Betrachtet man die Häufigkeit der Zellen in den unterschiedlichen Regionen, so zeigte sich bei den gesunden Tieren verschiedener Altersgruppen, dass die meisten Zellen in der subglottischen Schleimhaut lokalisiert waren. Im Gegensatz hierzu waren, mit Ausnahme von Makrophagen, kaum Zellen in der Mukosa der Glottisregion vorhanden.

Anschließend wurde in kinetischen Studien experimentell untersucht, ob neben der unterschiedlichen Zusammensetzung des Schleimhautimmunsystems des gesunden Larynx auch eine unterschiedliche Einwanderung dieser Zellen während einer Infektion besteht. Hierzu inhalierten die Tiere zunächst Zellwandbestandteile abgetöteter Moraxella catarrhalis Bakterien (totes Bakterienantigen). In einem weiteren Versuch wurden lebende Bordetella pertussis Bakterien intralaryngeal appliziert. Zuletzt wurden lebende Sendai-(Parainfluenza-)Viren intranasal appliziert und somit kontinuierlich inhaliert. In allen Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass der Anstieg der Granulozyten, DC, NK-Zellen und T- sowie B-Lymphozyten in der subglottischen Schleimhaut wesentlich ausgeprägter ist als in der Glottismukosa. Lediglich Makrophagen zeigten eine andere Kinetik. Während der Infektion war ihre Zahl in der subglottische Mukosa geringer als in der benachbarten Glottismukosa. Dies könnte auf einen fehlenden protektiven Effekt in der subglottischen Mukosa hindeuten. Des Weiteren müssen ursächlich auch epithelspezifische Reaktionen diskutiert werden, die zu einer unterschiedlichen Einwanderung immunkompetenter Zellen führen. So konnte während der Infektion mit Sendaiviren gezeigt werden, dass das subglottische Epithel MHC-Klasse-II-Rezeptoren stärker exprimiert als das benachbarte Glottisepithel. Die vermehrte Einwanderung von immunkompetenten Zellen in die subglottische Mukosa könnte eine Folge hiervon sein. Letztendlich muss auch eine unterschiedliche Affinität der Erreger zu den unterschiedlichen Epithelien der subglottischen und der glottischen Schleimhaut in Betracht gezogen werden. Diesbezüglich konnte auch das Nukleoprotein von Sendaiviren zwei Tage nach Beginn der Infektion vermehrt subglottisch nachgewiesen werden.

Insgesamt lassen die Resultate den Schluss zu, dass die massive Einwanderung von Leukozyten in die subglottische Mukosa zu einer ausgeprägten Immunantwort in dieser Region führt, woraus ein Begleitödem der Schleimhaut, wie es klinisch im Falle der infektiösen Laryngotracheitis beobachtet wird, resultieren kann. Beim Erwachsenen ist solch eine Schwellung nicht als lebensgefährlich anzusehen, da das Lumen der subglottischen Region ausreichend groß ist. Im Kindesalter hingegen führt sie zu ausgeprägter Dyspnoe, da hier die subglottische Region die engste Stelle der oberen Atemwege darstellt und eine Schwellung der Schleimhaut um 1 mm bereits eine Reduktion des subglottischen Querschnitts um 35 % bedeutet.

Priv.-Doz. Dr. med. Peter Jecker, Jahrgang 1964.

PD Dr. Peter Jecker

HNO Klinik

Langenbeckstraße 1 · 55101 Mainz ·

Email: jecker@hno.klinik.uni-mainz.de