Sprache · Stimme · Gehör 2002; 26(4): 142
DOI: 10.1055/s-2002-36205
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

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Publication Date:
19 December 2002 (online)

Dieses Heft beschäftigt sich insbesondere mit den Therapiemöglichkeiten bei Störungen des Spracherwerbs auf phonetisch-phonologischer Ebene. („Phonetisch-phonologisch” wird in allen Beiträgen als Überbegriff für alle (!) Störungen der Aussprache benutzt, gemeint sind letztlich alle (Artikulations-)Störungen, die nach ICD 10 mit F80.0 zu kodieren wären - Anm. d. Übers.).

Der erste Beitrag „Musterbasierende Ansätze zur phonologischen Therapie” beschreibt zunächst, wie Phonem-Fehlrealisationen klassifiziert werden können, insbesondere unter Zuhilfenahme der phonologischen Prozessanalyse. Die Autorinnen zeigen dann, wie man, ausgehend von den Ergebnissen der phonologischen Prozessanalyse, therapeutische Interventionen planen und durchführen kann. Ein Fallbericht, der demonstriert, dass der musterbasierende Ansatz zur Therapie sinnvoller sein kann als konventionelle „Artikulationstherapien”, rundet den Artikel ab.

Der zweite Beitrag geht der Frage nach, ob mundmotorische Übungen für die Behandlung von phonologischen (s. o.) bzw. Artikulationsstörungen sinnvoll sind. Dieser Artikel, zusammen mit der dritten Arbeit („Von der phonologischen Therapie zur phonologischen Bewusstheit”) zeigt auf, welche Fähigkeiten ein Kind als Voraussetzung für phonologisch orientierte Therapien haben sollte. Karen Forrest gibt zunächst einen Überblick über die derzeit bekannte Wertigkeit der mundmotorischen Übungen zur Unterstützung des Erwerbs phonetisch-phonologischer Fähigkeiten. Sie kommt zum Schluss, dass es nur wenig wissenschaftliche Hinweise für einen adäquaten therapeutischen Effekt artikulationsmotorischer Übungen bei phonologischen Störungen gibt und mahnt einen kritischen Umgang beim Einsatz mit diesen Therapieformen an.

Stackhouse u. Mitarb. setzen sich kritisch mit der Rolle der phonologischen Bewusstheit im Rahmen phonologischer Interventionen, auch anhand von praktischen Beispielen, auseinander. Sie analysieren darüber hinaus die metaphonologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie und diskutieren die Notwendigkeit der genauen Bestandsaufnahme metaphonologischer Kenntnisse des Kindes vor einer entsprechenden phonologischen Intervention.

Mit der phonotaktischen Therapie beschäftigt sich Shelly C. Vellemann. Diese Therapie wird insbesondere bei Kindern mit sehr unverständlicher Aussprache eingesetzt. Bei diesem Ansatz steht zunächst weniger die akkurate Realisation auf Segmentebene im Vordergrund, sondern vielmehr die Erkennung von Silben und Wortformen. Der phonotaktische Ansatz wird anhand eines Fallberichts dargestellt.

Mit der korrekten Realisation auf Segmentebene beschäftigen sich dann die nächsten beiden Beiträge: Der „Minimalpaar-Ansatz” wird von Barlow und Gierut beleuchtet. Die Minimalpaartherapie basiert insbesondere auf dem Phonemkontrast der Zielsprache. Der zunehmende Wirksamkeitsnachweis dieser Therapie begründet die Suche nach wirksamen Kontrastpaaren, um einen großen Übertragungseffekt zu induzieren.

Der Reigen der Artikel wird von Ann A. Tyler geschlossen. Sie beschäftigt sich mit einem sprachbasierten (sprachanwendungsbasierenden, Anm. d. Übers.) Interventionsansatz für phonologische Störungen. Insbesondere geht sie der Frage nach, welche Kinder möglicherweise von einer solchen Therapie profitieren können.

Alle Autoren bemühen sich, evidenzbasierte Vorschläge für die jeweils vorgestellte Therapieform, auch anhand von Beispielen darzustellen. Es bleibt zu hoffen, dass Sie von diesen Expertenmeinungen bei Ihrer täglichen Routinearbeit profitieren können.

M. Ptok, nachempfunden dem Vorwort von Nan Bernstein Ratner

M. Ptok

Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, MHH

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover