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DOI: 10.1055/s-2002-35782
Minisymposium 2: „Navigation und Robotik”
Navigation and RoboticsPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
29. November 2002 (online)
Das von W. Thumfart (Innsbruck) und P.-K. Plinkert (Homburg/Saar) moderierte Minisymposium stand ganz unter dem Motto „Technologien des 3. Millennium”. Die Brücken von dem vorangegangenen Symposium „Telemedizin” wurde mit einer Live-Videokonferenz zwischen der Universitäts-HNO-Klinik des Saarlandes (Homburg/Saar) und dem Kongresszentrum Baden-Baden geschlagen. Dabei konnten sich die Teilnehmer des Symposiums selbst von der hervorragenden Bild- und Tonqualität einer solchen Videokonferenz überzeugen, die mit dem Tandberg-Codec der Fa. Tenovis über sechs ISDN-Leitungen in Echtzeit aufgebaut wurde. B. Schick und U. Geisthoff demonstrierten die Perspektiven von Navigation und Telemedizin an der vorderen Schädelbasis anhand eines endonasalen transsphenoidalen Zugangs zur Hypophyse in endoskopischer und navigationsgestützter Technik am anatomischen Präparat. Zur Navigation wurde das optische System VectorVision der Fa. Brainlab® eingesetzt. Am Beginn der Übertragung stand die Demonstration der Oberflächenregistrierung durch berührungsfreie Infrarotabtastung der Gesichtsoberfläche, welche dann ohne weitere Marker mit dem CT- und /oder MRT-Datensatz in Einklang gebracht wird („Registrierung”). Erstmalig wurde die Anwendung des sprachgesteuerten Endoskopführungssystems AESOP® (ComputerMotion) im Bereich der vorderen Schädelbasis demonstriert, welches bisher in der laparoskopischen Chirurgie seine Anwendung findet. Damit wird ein beidhändiges Operieren unter endoskopischer Sicht möglich.
Da die intraoperative Navigation außerhalb knöcherner Strukturen durch die Weichteilverschiebung („tissue shift”) bislang noch nicht zufriedenstellend möglich ist, wurde in der folgenden Präsentation von U. Ecke (Mainz), Die Einbindung von Ultraschall und CT-MRT-Bildfusion in der Schädelbasischirurgie als Lösungsansatz für eine verbesserte intraoperative Orientierung, die Möglichkeit aufgeführt, intraoperative Ultraschalldaten mit präoperativ akquirierten Schnittbildern zu kombinieren, um die Weichteilverlagerung zu registrieren. Außerdem demonstrierte der Autor, wie die unterschiedlichen Bildinformation von CT (Knochendarstellung) und MRT (bessere Weichteildarstellung) in einer intraoperativen Navigationsansicht aufeinander abgestimmt und übereinander gelegt („Image Fusion and Enhancement”) werden können.
Dem Thema der intraoperativen Online-Re-Referenzierung widmete sich auch der Beitrag von J. H. Schipper (Freiburg):Digitale Bildmustererkennung zur permanenten Online-Datenaktualisierung als Grundlage für die Steuerung von Robotersystemen. In eindrucksvoller Art wurde das Konzept eines neuartigen Verfahrens vorgestellt, das nicht auf die intraoperative Akquirierung von Tomographien angewiesen ist, sondern berührungsfrei auf der optischen Erkennung von charakteristischen individuellen Bildmustern beruht, wie sie auch in den Oberflächenstrukturen von Operationsgebieten vorhanden sind. Das Projekt wird gemeinsam mit der Abteilung für Mustererkennung und Bildverarbeitung am Institut für Informatik der Universität Freiburg durchgeführt und wurde ursprünglich in der Kriminologie zur Identifizierung von Gesichtern, der Iris oder von Fingerabdrücken entwickelt.
Aus der Leipziger Arbeitsgruppe stellte G. Strauss ein Integratives Konzept für die Computer- und Roboterassisitierte HNO-Chirurgie (eCARAS) vor. Hierbei wurden verschiedene Teilprojekte unterschiedlicher Arbeitsgruppen präsentiert, einzelne Problematiken herausgegriffen und unter folgenden Oberbegriffen dargestellt: 1. präoperative Planung (ePlan), 2. präoperative Simulation (eSim), 3. intraoperative Navigation (eCAS) und 4. medizinische Robotik (eROB). Es wurde verschiedene Planungssoftware daraufhin überprüft, ob durch entsprechend digital aufbereitetes Bildmaterial entscheidende Hinweise für die Wahl des Zugangsweges oder der Operationsmethodik zu erhalten waren. Die retrospektive Auswertung der Segmentation ergab im Bereich der Schädelbasis in annähernd 25 % einen „change of strategy”, insofern als der Operateur mit dem aufgearbeiteten Material einen modifizierten Zugang gewählt hätte.
Um eine möglichst präzise Navigation zu ermöglichen, wurden die Kombinationen verschiedener Datenquellen in Koregistrierung getestet. Die höchste Genauigkeit von 1,1 mm in den „regions of interest” ergab sich für die Koregistrierung des präoperativen CT mit dem intraoperativen MRT bei Verwendung eines „mutual information algorithm”. Aber auch die Ultraschall-Koregistrierung ergab unter Laborbedingungen eine Präzision von 2,0 mm-Ergebnissen, die auch in ähnlicher Weise von U. Ecke dargestellt wurden. Unter dem Oberbegriff der medizinischen Robotik wurde der Einsatz eines Telemanipulators da Vinci® (Intuitive) am Kadaverpräparat im Bereich der Nasenhaupt- und Nebenhöhlen vorgestellt.
Navigation mit Hilfe eines Roboters war Teilaspekt der Präsentation Computer-assistierte Chirurgie der lateralen Schädelbasis von P.-K. Plinkert und Ph. A. Federspil (Homburg/Saar). Vorteile eines Robotersystems für Fräsarbeiten an der lateralen Schädelbasis ergeben sich aus Genauigkeit, fehlender Ermüdung, Reproduzierbarkeit und Schnelligkeit. Der Einsatz eines Roboters an der Otobasis ist aufgrund der Nähe wichtiger anatomischer Strukturen (Nervus facialis, Sinus sigmoideus, und Gehirn mit Hirnhäuten) von der Notwendigkeit extremster Übereinstimmung des geplanten Fräsvolumens zum tatsächlich entfernten Knochen geprägt. Durch Navigationsgeräte ist dies zur Zeit, auch wegen noch fehlender Schnittstellen, noch nicht möglich. Die Integration von Sensoren in ein Robotersystem zum Erkennen von bestimmten Gewebestrukturen wie der Dura mater wurden genutzt, um das Ausfräsen von CI-Implantatlagern anhand von lokalen Navigationsparametern durchzuführen. Unter der lokalen Navigation wird ein Algorithmus verstanden, der ohne einen zuvor gewonnenen Bilddatensatz auskommt und online am Patienten registriert wird. Der Roboter kann über diesen speziellen Algorithmus selbst sein Operationsgebiet in den ihm zugewiesenen Grenzen an beliebig vielen Punkten abtasten und damit eine 3D-Oberflächenkarte erstellen. An geeigneten Stellen kann durch eine Sensorik die Knochendicke bestimmt werden und ein dreidimensionales Dickenprofil erstellt werden. Die Roboteraktionen werden dann alleine nach diesem Modell ausgerichtet. Am Felsenbeinpräparat wurde bereits ein Implantatlager für ein implantierbares Hörgerät und ein Cochlea-Implantat mit dem Stäubli-Knickarmroboter RX130 ausgefräst.
Zusammenfassend demonstrierten die Vorträge einen eindrucksvollen Komplex innovativer Neuentwicklungen, die bislang allerdings im Wesentlichen im experimentellen Sektor angesiedelt sind. Die Zusammenarbeit mit Informatikern und anderen naturwissenschaftlichen Fachgebieten sowie die Integration von praktisch-medizinischem Wissen zum Zwecke der Anwendungsprüfung wurde an diesem Nachmittag von allen Vortragenden in der Kooperation von interdisziplinären Arbeitsgruppen mit dem Benefit einer raschen Wissensmehrung demonstriert.
Prof. Dr. med. Peter-K. Plinkert
Direktor der Univiversitäts-HNO-Klinik
Kirrberger Straße, Gebäude 6 · 66421 Homburg